PRO BAHN Hessen übt Kritik an Aktionsbündnis zur Verhinderung des Ausbaus der Main-Weser-Bahn

Es ist ausreichend Platz für zwei weitere Gleise, wie hier bei der Station Frankfurt-Berkersheim.

Es ist ausreichend Platz für zwei weitere Gleise, wie hier bei der Station Frankfurt-Berkersheim.

So titelten – bewusst provokativ – die Frankfurter Medien den Verlauf einer Pressekonferenz des so genannten Aktionsbündnis Bahnane, die am 22. Juli 2015 stattfand. Nun geht Bahnane erneut in gleicher, nicht hinnehmbarer Weise an die Öffentlichkeit.

Bürgerinitiativen haben durchaus ihre demokratische Legitimation und nachweislich bereits das eine oder andere großspurige Projekt zu Fall gebracht, das Planer oder Politiker ohne Rücksicht auf Kosten, Folgekosten und Nutzen für die Allgemeinheit in die Welt gesetzt hätten.

Bei der einen oder anderen Gruppierung wird der unbedarfte Beobachter aber das Gefühl nicht los, dass bestimmte Herrschaften ihren Namen gerne in der Zeitung lesen, sich unter Herausstellung von Halbwahrheiten profilieren wollen oder eine Posse daraus machen, es der Obrigkeit wieder einmal gezeigt zu haben. Zu welcher Kategorie das „Aktionsbündnis Bahnane“ zählt, das sich bewusst selbst nicht als eine Initiative der Bürger versteht, darüber möge sich jeder Leser selbst seine Gedanken machen. Hierzu empfiehlt sich das Studium der Homepage des Vereins. „Vier Gleise für die S6 – wir halten das schon lange für ein Märchen“, ist der Aufhänger der aktuellen Pressemitteilung und von Schwindel bei der Finanzierung ist die Rede. Von vier Gleisen für die S-Bahn war jedoch zu keinem Zeitpunkt die Rede. Die aufgestellte Forderung belegt allerdings wieder einmal, dass man zwar mitreden möchte, aber im Grunde nicht versteht, um was es eigentlich geht.

Zutreffend ist, dass sich die S-Bahn seit 35 Jahrenauf dem ersten Abschnitt hinter Frankfurt mit dem Regional-, Fern- und Güterverkehr eine gemeinsame Trasse teilen muss – eine Strecke,auf der von Jahr zu Jahr die Trassenkonflikte zu Lasten der Schwächeren („Bummelzüge“) dramatisch zunehmen. Damit nun endlich – wie es weltweit üblich ist und wie esim Interesse von täglich 40.000 Nutzern liegt- die Pünktlichkeit verbessert und die Reisezeit deutlich verkürzt werden kann, bedarf es eines eigenen Gleiskörpers zur Entflechtung der Verkehre mit unterschiedlicher Reisegeschwindigkeiten.

Menschen mit Behinderung bleiben auf der Strecke

Ein ganz entscheidendes Argument für das Projekt wird dabei von Bahnanegeflissentlich unter Tisch gekehrt, weil es für die Nein-Sager kontraproduktiv ist.Nur durch den Bau eines eigenen S-Bahn-Gleiskörpers kann ein hundertprozentiger barrierefreier Zugang über 96 cm hohen Bahnsteige in die Waggonsermöglicht werden. Bei einem Mischverkehr sind nur maximal 76 cm über Schienenober-kante als Bahnsteighöhe zulässig, weil dort sonst keine Güterzüge mit Überbreite mehr verkehren könnten. Rollstuhlfahrer und Menschen mit Behinderung bleibt also die Nutzung der S-Bahn auf Dauer nur mit erheblichen Einschränkungen möglich, da eine Stufe von bis zu 22 cm beim Ein- und Ausstieg in die Wagen überwunden werden muss. Die täglichen Probleme behinderter Menschen interessiertBahnane also ganz offensichtlich nur peripher.

DieBahnane -Leute haben auf der anderen Seite ohne jedenWiderspruch Recht, wenn Sie feststellen, dass auf dem zusätzlichen Gleiskörper keine einzige S 6 mehr verkehren wird gegenüber heute.So etwas hat allerdings auch kein Offizieller zur keiner Zeit behauptet. Es geht einzig und allein um eine deutlich messbare Qualitätsverbesserung, wie sie Dr. Walter Dirmeier, der „Vater“ der Frankfurter S-Bahn, bereits 1978 als Voraussetzung für einen störungsfreien Betriebsablauf des Gesamtnetzes und des „Engpasses Tunnel“gefordert hatte. Stadtschnellbahnen verkehren weltweit aus gutem Grund auf eigenen Schienensträngen. Diese Forderung gilt auch für die S-Bahn Rhein-Main. Steigt das Fahrgastaufkommen in der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main weiter so unaufhaltsam weiter wie in den letzten Jahren, dann muss allerdings über kurz oder lang über einen Zwischentakt zwischen Bad Vilbel und Frankfurt Hbf hoch (Fernbahnsteige) bzw. Niederrad, Gateway Gardens und Flughafen nachgedacht werden, so dass auf dem Streckenabschnitt bis zur Messe dann alle 7 ½ Minuten eine Bahn verkehren könnte.

Und noch in einem zweiten Punkt sind die Annahmen von Bahnane durchaus zutreffend. Allerdings wird in bewährter Manier von diesen Leuten nur die halbe Wahrheit verkündet. Der Güterverkehr wird auf der Main-Weser-Bahn zunehmen. Das ist Fakt und damit müssen wir uns den Gegebenheiten gehorchend abfinden. Den Menschen in Rheintal kann man nun einmal keine zusätzlichen Zugbewegungen mehr zumuten.

Echte Alternativen stehen in vielleicht 40 Jahren linksrheinisch zur Verfügung. Wenn zudem Zukunftsforscher Recht behalten, dann muss im Bereich des Korridors der „Blauen Banane“ (Rotterdam – Genua) insbesondere von Juli bis Dezember, wenn der Schiffsverkehr auf dem Rhein nach Abschmelzen der Alpengletscher wegen Niedrigwasser in absehbarer Zukunft zeitweise eingestellt werden muss, eine dritte leistungsfähige Schienenverbindung in diesem Korridor zur Verfügung stehen. Diese Güterzüge rollen jedoch auf der östlichen Tangente aber kaum tagsüber, hier werden die Slots nämlich für zusätzliche (über-)regionale Verbindungen (HessenExpress) benötigt, sondern vornehmlich in den Nachtstunden. Doch dazu bedarf es während der Betriebsruhe der S-Bahn bzw. in der Schwachverkehrszeit der Personenzüge schon heute keines einzigen Meters zusätzlicher Gleise.

Lärmschutz – das Gebot der Stunde

Wird die Main-Weser-Bahn also nicht schleunigst viergleisig zwischen Frankfurt-West und Friedberg ausgebaut, werden die Menschen entlang der Strecke nachts mit einem kaum erträglichen Lärmpegel leben müssen, denn der Bahnkonzernkann sich auf den so genannten Bestandsschutz berufen und brauchte keinerlei Maßnahmen zur Lärmminderung ergreifen. Und selbst wenn er es wollte, sind ihm die Hände gebunden. Der Bau eines Lärm schluckenden Gleisbetts nach neuestem Stand der Technik setzt eine mindestens halbjährige Sperrung eines Richtungsgleises auf einer Länge von mehreren Kilometern voraus. Das ist aber nur dann machbar, wenn die zuvor errichteten Gleise der neuen S-Bahnstrecke (dann noch ohne Bahnsteigkante) während der Bauphase als vorübergehende Ausweichstrecke zur Verfügung stehen.

Auch ein moderner Lärmschutz sieht nach neuesten Erkenntnissen ganz anders aus, als ihn Bahnane als Abschreckungsszenario an die nach ihrer Ansicht erforderlichen 12 Meter hohen Schallschutz-wände malt. Und noch einen Vorwurf muss sich das Aktionsbündnis gegen einen Ausbau der Strecke gefallen lassen. Die kritisierte Explosion der Baukosten um 81 Millionen geht zum größten Teil auf Verteuerungen als Folge der Verzögerungen bei der zeitlichen Umsetzung der ursprünglichen Pläne zurück. Die Inbetriebnahme der Ausbaustrecke war einmal für 2013 angedacht. Baubeginn ist jetzt 2017 und Fertigstellung soll optimistischen Prognosen zu Folge 2019 sein.

Eine leistungsfähige Main-Weser-Bahn macht eine Verbreiterung der A 5 um zwei weitere Spuren nach Ansicht von PRO BAHN überflüssig. Auch das sollten wir nicht außer Acht lassen. Den Menschen in der Wetterau und im Gießener Raum bis hin nach Marburg und Dillenburg stehen nach dem Ausbau der Strecke im Berufsverkehr deutlich mehr Sitzplätze und bis zu sieben umsteigefreie Schnellverbindungen pro Stunde (SE, RE, IRE, ICR) zur Verfügung. Der Lärmpegel nachts wird durch ein Bündelvon Maßnahmen wesentlich erträglicher sein als derzeit vorstellbar. Beim Flug- und Autoverkehr haben wir akzeptiert, dass wir in der Schnittstelle aller europäischen Verkehrswege nicht nur die Früchte des Herzens Europas genießen dürfen, sondern auch mit den gewissen Nachteilen leben müssen.

Welches Recht nehmen sich einige wenige Personen heraus, dem umweltfreundlichsten der drei Verkehrsmittel immer wieder Steine in den Weg legen zu wollen und den unmittelbaren Anwohnern der Strecke auf Dauer einen zumutbaren Geräuschpegel der auf 60 km/h (Vorschlag) reduzierten Güterzüge mit Flüsterbremsen zu verwehren oder den von weit her kommenden Pendlern Stehplätze zuzumuten? Die Berechnung des Nutzen-Kosten-Faktors ist beim Mischverkehr eine hochkomplexe Angelegenheit. Wie dieser Faktor auch ausfallen mag, sollte eigentlich Nebensache sein. Wichtig ist, dass ein ganz epochales Projekt zur Erhaltung des Wirtschaftsstandorts Deutschland jetzt und nicht erst in ferner Zukunft – bei noch einmal höheren Kosten- in Angriff genommen wird.

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