1995-2020 – 25 Jahre RMV und NVV am 28.05.2020 – eine gemischte Bilanz und ein gewünschter Ausblick des PRO BAHN Landesverbandes Hessen

Der PRO BAHN Landesverband Hessen blickt eingehend auf die 25 Jahre der beiden Verkehrsverbünde zurück, welche fast flächendeckend für das gesamte Bundesland Verantwortung tragen und unternimmt einen Ausblick, wie man sich die Verkehrsverbünde und den ÖPNV für die Zukunft vorstellt.

Im Land Hessen kann man in diesen Tagen ein besonderes Jubiläum feiern. Nur die Corona-Pandemie bremst offizielle Termine aus. Die beiden Verkehrsverbünde NVV (Nordhessischer Verkehrsverbund) und RMV (Rhein-Main-Verkehrsverbund), welche mit Ausnahme des südhessischen Landkreises Bergstraße das gesamte Landesgebiet von rund 21.000 Quadratkilometern abdecken, sind am 28.05.1995 gestartet, also in diesen Tagen vor genau 25 Jahren. Der Landkreis Bergstraße gehörte schon vorher zum Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN). 5 Landkreise und die kreisfreie Stadt Kassel bilden seither den NVV, den RMV bilden 11 Städte über 50.000 Einwohner und 15 Landkreise.

Der PRO BAHN Landesverband Hessen hat sich der Aufgabe angenommen, einen etwas längeren Bericht zu schreiben, welcher auch der Presse und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird, um aus Sicht von PRO BAHN über 25 Jahre RMV und NVV zu berichten.

Ursprünglich war auch ein Mittelhessischer Verkehrsverbund, identisch mit dem Regierungsbezirk Gießen (Mittelhessen = 5 Landkreise, 3 Städte über 50.000 Einwohner) geplant. Dies scheiterte letztlich an dem Willen der Städte Gießen und Marburg als eigene lokale Aufgabenträger und mit traditionellem Stadtverkehrsnetz, welche sich dann doch dem RMV angeschlossen haben. Die umgebenden Landkreise mussten dann nachziehen. So wurde das RMV-Verbundgebiet zum damals größten in Deutschland und ist heute noch flächenmäßig unter den ersten drei.

Dies alles geht natürlich auf die Bahnreform 1994 zurück womit das Land Hessen zum Handeln gedrängt wurde. Die damals erst wenige Jahre wieder im Amt befindliche rot-grüne Landesregierung verpflichtete die Landkreise und Städte ab 50.000 Einwohner, sich in einem großen Verkehrsverbund, insbesondere Tarifverbund zusammenzuschließen. So konnte eine Kleingliedrigkeit wie z.B. in Baden-Württemberg (22 Verkehrsverbünde) verhindert werden. Was jedoch in den Folgejahren geschah, war ein Rückzug der Verantwortung durch das Land Hessen, sowohl in politischer und gestalterischer, als auch in finanzieller Hinsicht. Mit dem Hess. ÖPNV-Gesetz, welches durch die spätere schwarz-gelbe Landesregierung mit negativen Folgen noch weiter verändert wurde, mussten sich der RMV und der NVV unternehmerisch und wirtschaftlich entwickeln. Die Finanzzuwendung aus originären Landesmitteln wurde auf 0 heruntergefahren, die Landkreise und Städte ab 50.000 Einwohnern als Träger der Verkehrsverbünde konnten dies alles allein durch die Regionalisierungsmittel und den kommunalen Finanzausgleich sowie lokale Zusendungen nicht auffangen, der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) konnte sich nicht mehr weiterentwickeln. Mit rund 60% Fahrgeldeinnahmen an den Gesamtkosten stand der RMV jahrelang an der Spitze der direkten Finanzierung durch die Fahrgäste.

Als TOP-Vorzeigeobjekt kann man wahrlich bezeichnen, dass es ab dem 28.05.1995 in Hessen möglich war, durch den RMV in einem Verbundgebiet auf 2/3 der Landesfläche mit einem Fahrschein verschiedenste Nahverkehrsmittel zu nutzen. Dies zu einer Zeit, als man in den meisten Teilen Deutschlands für den Umstieg von Bus zur Bahn und zur Stadtbahn noch fortwährend andere Fahrscheine benötigte. Hessen stand vorher ganz hinten an. Das System eines gemeinsamen Fahrscheins kannte man „im Land der Chatten“ nur in dem Vorgänger Frankfurter Verkehrsverbund (FVV), also der Großstadt Frankfurt und dem direkten Umland. Es war also einerseits der große Wurf. Hiobsbotschaft war jedoch, dass kleine Distanzen gerade im ländlichen Raum vom einen auf den anderen Tag um bis zu 75% teurer wurden. Angesichts des großen Wurfs von 1995 ist nicht nachvollziehbar, warum sich die beiden Verkehrsverbünde RMV und NVV im Tarifsystem seither völlig voneinander weg entwickelten, umfassende und fahrgastfreundliche Übergangstarife ein Fremdwort sind. Das Zusammenwirken von RMV und NVV ist in weiten Teilen stark ausbaufähig, es kann als ungenügend bezeichnet werden.

Wir wollen aber auch Positives hervorheben. Es hat sich einiges im Fahrplan und der Art der eingesetzten Züge des SPNV getan, auch in Hessen. Der silberne oder dunkelgrüne Waggonzug mit Lok, welchen man in den 1990er Jahren noch viel im Einsatz sehen konnte, ist auch in anderen Teilen Deutschlands und Europas längst Vergangenheit, es ist also kein ureigener Verdienst des RMV und des NVV. Heute sind es verschiedenfarbige Nahverkehrstriebwagen und Doppelstockzüge, sowie die S-Bahn- und RegioTram-Flotte, welche das Bild im RMV und im NVV prägen. Das Fahrplanvolumen ist um ca. 50% aufgestockt worden, jedoch wurde auch in den Jahren/Jahrzehnten vorher und auch während der RMV-Ära einiges an Verkehrsleistung abbestellt und gestrichen. Für viele einzelne maßgebliche Verbesserungen mussten insbesondere die Verbände wie der Fahrgastverband PRO BAHN und die wenigen/einzelnen bahnaffinen Gebietskörperschaften, für die entsprechende Stimmung sorgen, so dass insbesondere im RMV aber auch im NVV doch in einigen Einzelfällen umgedacht wurde.

Sehr bedenklich findet der Fahrgastverband PRO BAHN, dass das Land Hessen die Hoheit über Planung, Gestaltung und Leistungsvergabe vollkommen in die Hand der Verkehrsverbünde gegeben hat. Dies ist einmalig in Deutschland und andere Bundesländer beweisen, dass gesellschaftliche und politische Teilhabe letztlich auch einen viel größeren Erfolg bringt. Genau bei der Ausschreibungspraxis mangelt es in den hessischen Verkehrsverbünden. In Hessen gibt es keinen Fahrzeugpool, keine einheitlichen Triebwagen über die einzelnen Bahnstrecken(bündel) hinweg. So kommt es wegen der Verschiedenartigkeit und der Reparaturanfälligkeit und der zu geringen Triebfahrzeugkapazitäten öfters zu Zugausfällen. Wir verzichten hier auf eine Detailbeschreibung. Das würde den Rahmen eines Rückblicks und Ausblicks endgültig sprengen.

Erfreulich ist wiederum, an welche Verkehrsunternehmen die zentralen Netze und Linien in Hessen vergeben wurden, sieht man mal von wenigen ausbrechenden Linien ab. Hier stehen andere Bundesländer viel schlechter da. Mit der Hessischen Landesbahn (HLB), inzwischen größter Netzbetreiber in den beiden hessischen Verkehrsverbünden und komplett in Besitz des Landes Hessen, der Kurhessenbahn (einer Bahntochter) im Nordwesten des Bundeslandes, der Cantus, einer Nahverkehrsgesellschaft für Ost- und Nordhessen, der VIAS, welche die Rheingau-Linie und die Odenwaldbahn betreibt, sind Betreiber gefunden, welche auch der PRO BAHN Landesverband Hessen nicht missen möchte. Hinzu kommt DB Regio Mitte mit einem der Sitze in Frankfurt. Somit sind die SPNV-Strecken an Nahverkehrsdienstleister vergeben, welche im Bundesland greifbar und mehr oder weniger sesshaft sind.

Der PRO BAHN Landesverband Hessen zieht bei 25 Jahren RMV und NVV also eine durchwachsene Bilanz.

Die Bilanz und aktueller Stand des RMV

War und ist der RMV auch ein Erfolgsmodell? In Teilen kann man das schon sagen. So hat in den 25 Jahren der Ausbau des S-Bahn-Netzes einen gewaltigen Schub nach vorn getan, dabei ging ein Teil schon gleich am 1. Tag (28.05.1995) vonstatten. Es war die Inbetriebnahme der S-Bahn über Offenbach bis nach Hanau mit der Linie S 8, welche später in die Linien S 8 und S 9 aufgespalten wurde.

Zwei Jahre später, 1997 wurde dann die S-Bahn-Strecke mit eigenem Gleiskörper bis nach Darmstadt mit den Linien S 3 und S 4 in Betrieb genommen. Man muss jedoch attestieren, dass dies aufgrund der Vorlaufzeit auch noch auf die „Vor-RMV-Ära“ ging und insbesondere der Streckenabschnitt zwischen Langen und Darmstadt wegen seiner Eingleisigkeit sehr störanfällig und unflexibel ist.

Im Landkreis Offenbach ging es dann Anfang der 2000er Jahre weiter. So wurde die Rodgau-S-Bahn mit der Linie S 1 nach Ober-Roden ausgebaut und in Betrieb genommen. Eine echte Reaktivierung war schließlich über Offenbach hinaus bis nach Dietzenbach die Verlängerung der S 2. Hier wird inzwischen sogar über den Weiterbau Richtung Dreieichbahn und Dieburg diskutiert. Die Einführung der S 7 auf der Riedbahn im Landkreis Groß-Gerau im Jahr 2002 ist im Grunde nur eine Umstellung des eingesetzten Wagenmaterials. Die Strecke ist durch den Fernverkehr vollkommen überlastet.

Nach vielen Jahren des Stillstands geht es im S-Bahn-Ausbau nun seit 2017 endlich weiter. Auch in Bezug auf die S-Bahn erfolgt aktuell ein Ausbau ab Frankfurt in Richtung Norden. Im ersten Abschnitt zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel wird die Main-Weser-Bahn von zwei auf vier Gleise erweitert. Ein Projekt, welches auch fast 40 Jahre gefordert wurde, soll im Endausbauzustand viergleisig bis Friedberg führen. Die S 6 fährt dann auf eigenen Gleisen. Den Hauptnutzen zieht jedoch der Regionalverkehr aus Gießen bzw. Mittelhessen mit den Linien RE 30, RE 98, RE 99, RB 34, RB 40, RB 41, RB 47 und RB 48.

Auch das Gesamtthema Tarife diskutiert man im RMV seit 25 Jahren. Wegen der ursprünglich kleineren Verbundgröße umfasst die hier mal als „Hauptpreistafel“ bezeichnete Matrix nur 7 Preisstufen. Das führt dazu, dass für Distanzen über 60 km in dieser Tafel der gleiche Fahrpreis gilt, obwohl im RMV-Gebiet bis zu 170 km weit gefahren werden kann. Zwischen den 7 Preisstufen waren lange Zeit große Preissprünge vorhanden, welche man in den letzten Jahren auszubügeln versucht hat. Dies ist auch zum Teil gelungen. Aus dieser Diskussion heraus ist auch das eigene Digitalmodell „RMV Smart“ entstanden, welches nun im vierten Jahr im Probebetrieb mit mehreren tausend Fahrgästen läuft. Die Tendenz eines Ergebnisses liegt bislang nicht vor.

Der RMV konzentriert sich zu sehr auf die Metropole Frankfurt und das S-Bahn-Netz. Es ist zu beobachten, dass versucht wird, keine Mehrleistungen mehr für die Regionen außerhalb des urbanen Raums Rhein/Main zu bestellen, so dass insbesondere die Region Mittelhessen nicht angemessen an der Verkehrswende teilnehmen wird, wenn kein Umdenken erfolgt. Hessen muss endlich Anschluss an vergleichbare Teile Europas finden und so müssen die Investitionen/Mehrleistungen landesweit deutlich aufgestockt werden.

Sehr schwer wiegt die Ausrichtung des RMV, überhaupt nicht gestalterisch als Querschnittinstanz auf den lokalen Busverkehr der Landkreise und Städte ab 50.000 Einwohnern einzuwirken. So haben sich die Busverkehre der lokalen Aufgabenträger des RMV-Gebiets in mehrfacher Hinsicht völlig unterschiedlich entwickelt und Landkreisgrenzen stellen Bollwerke dar. Orte, welche nur wenige Kilometer vor einem Oberzentrum liegen, haben bis heute eine mangelhafte bis katastrophal schlechte ÖPNV-Anbindung. Regionalbuslinien als Erbe der Bahnbusse, wurden zum größten Teil an die Landkreise abgeschoben, so dass sie dort verkümmerten. Die Aufgabe der Querschnittinstanz begreift der NVV völlig anders und durchaus positiv.

Einen gesamtheitlichen Ausblick auf die Verkehrswende hat der RMV nicht, er hat kein durchgreifendes verbundweites Konzept. Man möchte mit dem Status Quo weitermachen, was aus Sicht der Fahrgäste so nicht bleiben kann. Die Züge sind in den Hauptverkehrszeiten völlig überlastet und es hat in der Zwischenzeit sogar deutliche Rückschritte gegeben.

Die Umstellung von lokbespannten Waggonzügen auf Nahverkehrstriebwagen von Stadler, Alstom und Bombardier brachte für den Fahrgast wahrlich nur sehr wenige Vorteile. So wurde die Sitzplatzkapazität um bis zu 40% reduziert. Über viele Jahre ist nun ersichtlich, die Triebfahrzeuge reichen bei weitem nicht aus. Aufgrund von gekürzten Bahnsteigen können so ohne weiteres keine längeren Zugeinheiten mehr eingesetzt werden. Diese Fehlentscheidung betrifft insbesondere den Main-Lahn-Sieg-Express (RE 98/RE 99) von Frankfurt über Gießen nach Kassel bzw. Siegen, die RB 10 (Rheingau-Linie von Frankfurt über Wiesbaden und den Rheingau nach Koblenz) und das Netz des Mittelhessen-Express (RB 40, RB 41, RB 49). Dies bedeutet aktuell als Forderung, die Umstellung auf Doppelstockzüge in diesen SPNV-Netzen. Im Fall des letztgenannten Netzes muss man jedoch auch attestieren, dass das Fahrplankonzept mit der Flügelung und Kopplung in Gießen durchaus einen Erfolg aufweisen kann. Die Stationen der Dillstrecke Gießen-Dillenburg und der Main-Weser-Bahn zwischen Gießen, Marburg und Kirchhain haben nach vielen Jahrzehnten seit 2006 wieder Direktverbindungen nach Frankfurt erhalten und damit deutliche Zuwächse in den ein- und aussteigenden Fahrgastzahlen erfahren. An der Idee der Flügelung und Kopplung in Gießen sollte auf jeden Fall festgehalten werden, sie muss sogar ausgebaut werden.

Ein Erfolg ist auch die Odenwaldbahn, welche früher mal direkte Verbindungen bis nach Stuttgart (Heckeneilzüge) aufzuweisen hatte. Sie war schon fast dem Niedergang geweiht, als man ab 2005 mit einem neuen Fahrplan- und Regionalzugkonzept sowie damals neuen Dieseltriebwagen gegensteuerte und in den folgenden 15 Jahren erhebliche Fahrgastzuwächse von Frankfurt, Darmstadt und Hanau bis in den Odenwald und an den Neckar bzw. umgekehrt generieren konnte. Dieses Erfolgsmodell müsste den RMV jedoch dazu veranlassen, weiter in die Odenwaldbahn zu investieren, was in jedem Fall mit einem Streckenausbau sowie einer Ertüchtigung verbunden wäre. Auch eine Netzerweiterung von Reinheim nach Groß-Bieberau ist sinnvoll, der RMV lehnt diese letztgenannte Initiative bislang jedoch strikt ab.

Nur einen mäßigen Fortschritt haben die anderen Linien im ländlichen Raum des RMV-Gebiets erfahren. Hier ist insbesondere die Linie RB 45 mit der Lahntalbahn und der Vogelsbergbahn zu nennen. Die Triebfahrzeuge der HLB sind über 3 Stunden zwischen Limburg, Wetzlar, Gießen und Fulda unterwegs und fahren quasi täglich Verspätungen ein. Es wurde sich von keiner Seite bemüht, die vom Fahrgast direkt genutzte stationäre Infrastruktur in nennenswertem Umfang auszubauen, man hat viele Bahnsteige noch aus der Zeit wie vor 100 Jahren, was mit Barrierefreiheit nichts zu tun hat. Der Triebwagen des LiNT 41 ist insbesondere für die Lahntalbahn viel zu klein ausgelegt, wodurch insbesondere aus touristischen Gründen die Zugleistung aus allen Nähten platzt. Das gilt auch für die Linie RE 25 Gießen-Koblenz, welche von DB Regio betrieben wird. Die Rhönbahn (RB 52) zählt zur RB 45 und hat ebenfalls noch Luft nach oben. Wie sich das Wetterau-Netz entwickeln wird, welches seit Ende der 1990er Jahre mit Stadler GTW-Triebwagen gefahren wird und seinerzeit die Wiedergeburt des 7-Tage-Betriebs erfuhr, weiß man noch nicht. Mit der Neuvergabe ab 2022 an die HLB werden LiNT 41 die Linien RB 46, RB 47 und RB 48 und bei Erfolg auch die Lumdatalbahn und die verlängerte Horlofftalbahn befahren.

In Sachen Reaktivierung ist beim RMV außerhalb des S-Bahn-Bereichs nichts wirklich Nennenswertes passiert. Lediglich 2 km Verlängerung von Darmstadt-Süd nach Pfungstadt mit der RB 66 (Odenwaldbahnnetz) und die 8 km Verlängerung der Taunusbahn von Grävenwiesbach nach Brandoberndorf sind in 25 Jahren sowas von dürftig. Seit den 1980er Jahren sind örtliche Bürgerinitiativen mit Zustimmung der anliegenden Gemeinden dabei, an verschiedenen Stellen im RMV-Gebiet Reaktivierungen mit größeren Streckenlängen durchzusetzen. 25 Jahre RMV haben bislang zu keinem finalen Erfolg für diese Projekte geführt, wodurch der RMV noch nicht seinen Beweis erbracht hat, dass er z.B. hinter den Projekten wie der Lumdatalbahn, der Aartalbahn und der Horlofftalbahn steht. Letztgenannte Strecke wurde sogar erst während RMV-Zeiten stillgelegt.

Alles in allem fällt die Bilanz über den Rhein-Main Verkehrsverbund seitens des Fahrgastverbandes PRO BAHN durchwachsen aus. Angesichts der Tatsache, dass PRO BAHN den RMV durchaus öfters mal kritisiert, muss man bei 25 Jahren RMV auch anerkennen, es ist durchaus in einigen Einzelprojekten etwas passiert. Nur wäre es schön, wenn die kritischen, durchaus konstruktiv gemeinten Botschaften von uns Fahrgastvertretern auch als Chance begriffen würden.

Die Bilanz und aktueller Stand des NVV

Der deutlich kleinere NVV, am gleichen Tag (28.05.1995) an den Start gegangen, wirkte als Verkehrsverbund mit lediglich einer Großstadt, also einem Oberzentrum und viel ländlichem Raum mit beschränktem Potential dennoch in den Anfangsjahren deutlich engagierter. War es doch so, dass es 1995 zwar zwischenzeitlich den neuen Fernbahnhof Kassel-Wilhelmshöhe gab und die Stadt Kassel einen deutlichen Fahrgastschub nahm. Jedoch erinnerten alle Strecken in Nordhessen an Nostalgiezeiten und keinerlei Aufbruch.

Sehr hervorheben muss man, dass der NVV die Landkreise als Aufgabenträger maßgeblich unterstützt, sehr viel Aufgaben auch für das lokale Busnetz zentral von ihm übernommen werden. So sind Lücken im Busliniennetz entlang von Landkreisgrenzen in Nordhessen nur an sehr wenigen Stellen erkennbar. Kreisübergreifender Beweis ist die Linie 500 Kassel-Bad Wildungen, welche mittlerweile mit Doppestockbussen befahren wird und drei Gebiete von Aufgabenträgern durchfährt. Doppelstockbusse kennt man bislang in Deutschland vornehmlich in Berlin und als Touristikbusse.

Ausgehend von der in den 1980er und 1990er Jahren als innovativ geltenden Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG) und der ersten Stadt mit Niederflurstraßenbahnen in der alten Bundesrepublik, kam es zu der Entwicklung des RegioTram-Konzepts, welches 2007 an den Start ging. Es basierte auf dem Modell der S-Bahn Karlsruhe und brachte erstmals die Schaffung von umsteigefreien Direktverbindungen vom Umland in die Kasseler Innenstadt. Leider wurde unter den vier RegioTram (RT)-Linien die Linie RT 9 nach sieben Jahren wieder auf ein schwächeres RB-System umgestellt und die Strecke nach Hessisch Lichtenau seit 2009 ausschließlich mit Straßenbahnwagen der KVG befahren.

Erfolge sind auch durch Reaktivierungen zu verzeichnen. Niemand hätte einen Cent darauf verwettet, dass es dazu kommt, 31 km Strecke zwischen Korbach und Frankenberg durch ein Gemeinschaftsprojekt von Landkreis, Kommunen, NVV und Kurhessenbahn durchzusetzen. Hinzu kommt noch, dass zwischen Bad Arolsen und Korbach auch einige Jahre kein Zug fuhr. Die Kreisstadt war nur noch von Nordrhein-Westfalen aus erreichbar. Nun ist Korbach wieder Umsteigepunkt und das Herzstück der Kurhessenbahn.

Ein zweiter Erfolg in NVV-Zeiten, der Stadtbahnhof Eschwege. Die Kreisstadt des Werra-Meißner-Kreises hatte keinen Bahnhof mehr in der Kernstadt. Durch den Wiederaufbau eines 3 km langen Abschnitts der alten Kanonenbahn wurde im Stadtzentrum ein Kopfbahnhof mit neuem zentralen Umsteigepunkt zwischen Bahn und Bus geschaffen.

Genau hier setzt aber auch die negative Entwicklung an. Es war auf absehbare Zeit vorbei mit der aufstrebenden Schiene in Nordhessen, im NVV. Keinerlei Schienenausbau folgte, es ist keine Kapazitätserweiterung geplant. Gerade die durchgängige Schienenverbindung zwischen Kassel und Eschwege wurde mit dem Neubau der Autobahn A 44 zunichte gemacht. Zudem nimmt man die Möglichkeiten, welche noch vorhandene Teile der Kanonenbahnstrecke zwischen Treysa über Eschwege bis zur Landesgrenze geboten haben oder in Abschnitten noch bieten, nicht zur Kenntnis. Die Zugehörigkeit fast aller nordhessischen Landkreise zum Zonenrandgebiet brachte die Betriebserhaltung aller Bahngleise während der deutschen Teilung mit sich. Nach 1990 wurden und werden Chancen nicht genutzt.

Um jedoch den überaus großen Individualverkehr in die stark umweltbelastete Stadt Kassel noch stärker zu reduzieren, hätte es der Weiterentwicklung des RegioTram-Netzes und des weiteren Ausbaus der Regionalzugverbindungen, insbesondere durch Reaktivierungen, bedurft. Seit der Weltwirtschaftskrise 2008 ist jedoch in weiten Teilen ein Stillstand und ein Status-Quo-Verwalten im NVV erkennbar. Den Ausbau muss man jetzt insgesamt und zeitnah nachholen.

Der Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert diese Stagnation der letzten Jahre deutlich, von der sich lediglich die Reaktivierung Korbach-Frankenberg abhebt.

Hat Hessen im ÖPNV mit dem RMV und dem NVV eine Perspektive?

Ja mit Sicherheit, dazu muss aber insbesondere in Strukturfragen einiges passieren und die hessische Landespolitik muss Öffentlichen Personennahverkehr und Schienenpersonenverkehr wieder als die eigene Aufgabe der Gestaltungsvorgabe verstehen. Eine staatlicherseits in Auftrag gegebene Bestandsaufnahme aller 95 stillgelegten Bahnstrecken in Hessen hat ergeben, dass 23 Strecken als untersuchungswürdig bzw. reaktivierungsfähig angesehen werden. Der Fahrgastverband PRO BAHN sieht 30 Strecken als reaktivierungsfähig an. Seitens der beiden Verkehrsverbünde wird alles dafür getan, dass es, wenn die Aufgabendefinition so bleibt, so gut wie keine dieser Strecken über die Ziellinie schaffen wird, insbesondere nicht, wenn sie nicht auf die Metropole Frankfurt zulaufen oder im urbanen Raum unmittelbar vor Kassel liegt. Dies alles lässt nichts Gutes erahnen, gerade wenn nun die Staatfinanzen aufgrund der Corona-Krise aus den Fugen geraten.

Der PRO BAHN Landesverband Hessen sieht insbesondere Bedarf darin, dass der Schienenpersonennahverkehrsausbau auf mittleren Distanzen zwischen 30 und 100 km eine deutliche Steigerung, in einigen Fällen mehr als eine Leistungsverdoppelung erfährt. Die Mietpreise in Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet werden über Jahrzehnte hinweg den Bedarf nach längeren Pendlerdistanzen erforderlich machen. Nicht alle können in und um Frankfurt wohnen, wir brauchen aktive Menschen im ganzen Bundesland.

Der seit gut 20 Jahren im Zukunftsspektrum herumgeisternde Hessen-Express darf nicht nur auf der Vorzeigeachse Wiesbaden-Flughafen/Fernbahnhof-Darmstadt im Rahmen des Neubaus im Schienenfernverkehr eine Verwirklichung finden. Auf allen wichtigen SPNV-Magistralen muss quer durchs Bundesland und darüber hinaus im Hessen-Express gefahren werden, so wie es ursprünglich einmal geplant war und an einigen Stellen weiterhin geschrieben steht. Hinzu kommt, dass die Produktbezeichnungen (RE, RB, S) in den drei Verkehrsverbünden NVV, RMV und VRN aufeinander angepasst werden, so dass ein gesamtheitlicher Hessen-SPNV entsteht.

Drei Bahnstrecken sind aktuell in der Diskussion für eine Reaktivierung. Die vorhandene Bestandsaufnahme muss in einen Reaktivierungs- und Ausbauplan für die Schiene, auch außerhalb der urbanen Räume, weiterentwickelt werden. Nur eine flächendeckende Schiene führt auch zu einer Verkehrswende. Im Detail kommen wir als PRO BAHN Landesverband Hessen immer wieder darauf zurück und werden die Diskussion dazu am Leben erhalten. Alle 21 Kreisstädte gehören an den SPNV angebunden, aktuell sind dies Homberg (Efze/Schwalm-Eder) und Bad Schwalbach (Rheingau-Taunus) „nicht“. Die Größenordnung von 10-15 weiteren Regionalzugstrecken darf in Hessen keine Utopie sein, hierzu zählen wir nicht nur die Reaktivierung, sondern auch den Wiederaufbau und den Neubau.

Der Ausbau der Schiene in und um Frankfurt muss auch in einem wirklichen Gesamtwerk endlich zur Umsetzung kommen. Das Projekt nordmainische S-Bahn zwischen Frankfurt, Maintal und Hanau wird seit vier Jahrzehnten immer wieder in die Diskussion gebracht muss endlich zur Umsetzung kommen. Die Bahnstrecken in den Taunus hinein gehören allesamt elektrifiziert, um sie so uneingeschränkt in sämtliche SPNV-Arten von und nach Frankfurt integrieren zu können. Das Projekt Regionaltangente, mit der Variante West ist schon weit vorangeschritten, darf nicht ins Stocken geraten und muss durch ein komplettierendes System um ganz Frankfurt herum als Ringbahn ergänzt werden.

In Sachen Elektrifizierung von Bahnstrecken ist im Verbundgebiet von RMV und NVV bislang nichts getan, die Nahverkehrsplanungen weisen hier keine signifikante Netzerweiterung aus. Der Bund stellt massiv Gelder zur Verfügung, für welche zu befürchten steht, dass sie allesamt außerhalb Hessens verausgabt werden, obwohl sie in Hessen dringend benötigt werden.

Der unentbehrlichen Aufgabe der Steuerung von Ideenentwicklung, Planung und Ausführung des ÖPNV/SPNV muss sich das Land Hessen annehmen, so wie fast alle anderen Bundesländer dies auch tun. Erst dann, im Alltag, haben die Verkehrsverbünde zu übernehmen.

Der RMV muss sich wieder auf sein „Brot- und Buttergeschäft“ beschränken. Es wurden eine Reihe von Tochterfirmen gegründet, für welche sich der RMV nicht auszeichnen muss. Dies alles gehört entweder staatlichen Organen zugewiesen, unabhängigen Firmen und Büros überlassen und zu kleinen Teilen in den RMV selbst integriert.

Unter diesen Gesichtspunkten muss auch die Frage gestellt werden, ob es erforderlich ist, dass der RMV im Spektrum der Digitalisierung mehrere rein eigene Projekte fährt, dazu nicht unerheblich Kapital bindet. Wäre es hier nicht besser, sich hessenweit aufzustellen? Sollte der digitalisierte Fahrpreis nicht besser einen „Hessentarif“ als Basis haben, welcher für die Regionen und die beiden Verkehrsverbünde durchaus auch Spezifizierungen beinhalten kann? Der NRW-Tarif und der Westfalen-Tarif im Nachbarbundesland können beispielgebend dafür sein, so etwas auch in Hessen aufzubauen.

Insbesondere der RMV muss Befindlichkeiten überwinden, was die Verbundgrenzen anbetrifft. In einer globalisierten Welt orientiert sich der Fahrgast bei der Wahl seines Wohnortes und seines Dienstortes nicht daran, ob dazwischen die Grenze eines Bundeslandes, eines Landkreises, eines Verkehrsverbundes liegt. Hier bedarf es insbesondere einer deutlichen Anpassung von Tarif und Fahrplänen in Richtung Rheinland-Pfalz (Rhein-Lahn-Kreis und Westerwaldkreis) und in Richtung Nordrhein-Westfalen (Kreis Siegen-Wittgenstein).

Es bleibt zu hoffen, dass die Hessische Landesbahn zu 100 Prozent in Besitz des Landes Hessen bleibt. Die HLB und Cantus, Kurhessenbahn, VIAS und DB Regio Mitte mögen sich personell und strukturell so aufstellen, dass sie für die Mobilitätswende und dem Kampf gegen den Klimawandel sehr gut aufgestellt sind und so der aus Fahrgastsicht gewünschten Expansion mithalten können. Sie bilden die Basis des RMV und des NVV und sollen es auch ruhig bleiben.

Die beiden Verkehrsverbünde RMV und NVV müssen zu gleichen Partnern mit ähnlichen Strukturen entwickelt werden, dies trotz der unterschiedlichen Größen bei Fläche, Netz und Fahrgastzahlen. Das Bollwerk der Verbundgrenze RMV-NVV muss überwunden werden.

In Fast allen Gebietskörperschaften des RMV gibt es lokale Fahrgastbeiräte, im NVV-Gebiet ist das mit Ausnahme der Stadt Kassel noch ein Fremdwort. Der PRO BAHN Landesverband Hessen fordert die flächendeckende Einführung von Fahrgastbeiräten in Hessen, welche durch die kommunalen Gebietskörperschaften und das Land Hessen eingesetzt werden sowie Einbringungsmöglichkeiten nach dem Modell anderer Beiräte haben.

Für die nächsten Jahre wünscht sich der PRO BAHN Landesverband Hessen die Wiedereinführung des Gestaltungswillens, bei dem Land, den Kreisen und den größeren Kommunen. Mit einer Reform des Öffentlichen Personennahverkehrs in Hessen hofft PRO BAHN auch auf die Mitwirkungsmöglichkeit von Fahrgästen, welche die Bezeichnung Reform im positiven Sinne auch verdient.

Der PRO BAHN Landesverband Hessen wünscht dem RMV und dem NVV eine gute Weiterentwicklung im Sinne der Fahrgäste, der gesamten Gesellschaft, der Verkehrswende und des Ausbremsen des Klimawandels als Basis für die nächsten 25 Jahre.

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