PRO BAHN und VCD kritisieren Leistungskürzungen am Buslinienverkehr im Altkreis Wetzlar

Der neue Busbahnhof Wetzlar, Platz für viele Buslinien aber bald nur noch für welche innerhalb der Stadt?

Der neue Busbahnhof Wetzlar, Platz für viele Buslinien aber bald nur noch für welche innerhalb der Stadt?

Verkehrsgesellschaft Lahn-Dill-Weil (VLDW) bringt Daseinsvorsorge in Abwärtsspirale

Mit dem Ende der Sommerferien 2012 und dem Fahrplanwechsel im Dezember 2012 hat es massive Leistungskürzungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Altkreis Wetzlar gegeben. Die regionalen Gliederungen der bundesweit tätigen Interessenverbände VCD (Verkehrsclub Deutschland) und PRO BAHN e.V. fordern die Verantwortlichen zur Umkehr auf, so die beiden Regionalsprecher Friedrich Lang (VCD) und Thomas Kraft (PRO BAHN).

Im speziellen kritisieren die Verbände die Abkoppelung von Waldsolms und weiten Teilen von Schöffengrund und Braunfels mit einer Direktverbindung in die Kreisstadt Wetzlar. So war bis Ende der Sommerferien 2012 die Linie 160 von Brandoberndorf bis nach Wetzlar durchgehend gefahren und hat zahlreiche Ortsteile von Waldsolms und Schöffengrund mit angebunden. Die Linie 170 verband das Solmsbachtal mit Wetzlar. Nun sind die Direktverbindungen für 10 Orte im südlichen Lahn-Dill-Kreis weg, denn es muss in Schwalbach umgestiegen werden. Die Linie 170 fährt i.d.R. nur noch von Wetzlar über Laufdorf nach Schwalbach, dann ist erst mal Schluss. Mit teilweise längeren Wartezeiten ist man nun auf einen Anschluss mit den Linien 160, 173 und 174 angewiesen. Nicht nur dass das Umsteigen dazu gekommen ist, welches für ältere und behinderte Menschen eine enorme Belastung bedeutet, es hat auch Fahrplanausdünnungen gegeben.

Anderes Beispiel, die Reduzierungen auf der Linie 415 Wetzlar-Hohenahr. Diese hat es nun am 13.01.2013 besonders getroffen. Markanteste Änderung ist die Rücknahme der Samstags-Bedienung von einem Stundentakt auf einen Zweistundentakt. Für Friedrich Lang vom VCD Lahn-Dill ist der Schritt deshalb so unverständlich, weil der Samstag als Haupt-Einkaufstag immer mehr an Bedeutung gewinnt. In vielen Städten und Regionen werden die Samstagsverkehre ausgebaut und dem Bedarf angepasst. Ganz anders bei der Linie 415 im Lahn-Dill-Kreis und damit auch im Wetzlarer Stadtteil Blasbach.

Ein Großteil der Einsparungen trifft „nur“ während der Ferienzeiten die Fahrgäste. So gilt jetzt an schulfreien Tagen bei den Fahrten ab Wetzlar bestenfalls der Stundentakt. An Schultagen fährt die Linie 415 dagegen nach wie vor nachmittags überwiegend halbstündlich – so wie es bis 12.01.2013 generell der Fall war. Die Folge: Es gibt  eine Unzahl von Fußnoten in den Fahrplänen, die Busfahren zur Wissenschaft machen, weil sogar einzelne Brückentage zur Ferienzeit gerechnet werden.

An allen Verkehrstagen gibt es künftig keine Abfahrt nach 20.28 Uhr mehr ab Wetzlar. Bis zum 12.01.2013 gab es die letzte Abfahrt werktags immerhin noch um 22.00 Uhr. Auch die wichtige und nach Friedrich Langs Beobachtungen stets gut frequentierte Abfahrt um 18.32 Uhr ab Wetzlar wurde Opfer der Sparbemühungen.

Und noch etwas stört die VCD-Aktiven: Die Taktzeiten an Samstagen und Sonntagen wurden vereinheitlicht. Prinzipiell keine schlechte Idee, bei der Linie 415 hat es aber die Folge, dass die Buskunden ab dem Samstag-Nachmittag ohne brauchbare Zug-Anschlüsse in Wetzlar ankommen. Auch Möglichkeiten, innerhalb Wetzlars weiterzukommen, etwa zum Krankenhaus, bestehen nur in Ausnahmefällen.

Verwundert zeigen sich VCD und PRO BAHN, dass sich die Gemeindegremien von Hohenahr, Schöffengrund, Waldsolms und Braunfels mit der fatalen Entwicklung überhaupt nicht auseinandersetzen. Bedeutet doch  weniger ÖPNV letztlich die Entwertung von Wohnraum, Gebäudewert, eine schnellere negative Bevölkerungsentwicklung und vieles mehr.

Nun hat es die Linien 415, 160 und 170 getroffen, morgen können es andere Kommunen rund um Wetzlar sein, denen die VLDW Schrumpfungen verordnet. Als gefährdet gelten nach VCD und PRO BAHN die Linien 120/125 und 471, welche Teile von Solms, Leun, Aßlar, Ehringshausen und Greifenstein erschließen. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund möchte diese Linien, wie auch anderswo in Hessen praktiziert, an die VLDW als örtliche Trägerin abgeben. Die Verantwortlichen in den Kommunen sollen wachsam sein, bevor sie auch von heute auf morgen vor vollendeten Tatsachen stehen.

Die Stadt Wetzlar, welche ihren Stadtbusverkehr in weiten Teilen sehr ordentlich organisiert hat, muss für sich als Einkaufs- und Arbeitsplatzstandort die Gefahr erkennen. Wenn die Menschen mit dem Bus überhaupt nicht mehr in ihre Stadt als aktuelles Oberzentrum gelangen, können Kaufkraft und Arbeitsmarkt abnehmen.

Die Verbände erkennen die Notwendigkeit zum Sparen, dabei sollte das Fahrplanangebot aber als letztes angetastet werden. Es gibt andere Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund steigender Kraftstoffpreise werden Kleinbusse sinnvoll, auch wenn sich die Verkehrsunternehmen gegen die angeblich doppelten Fuhrparkkosten sträuben, denn zur Schulzeit werden natürlich andere Fahrzeuggrößen benötigt. Gute Erfahrungen werden anderswo auch mit bedarfsorientierten Systemen gesammelt, dem Anruf-Sammeltaxi oder Anruf-Linienbus. Diese Verkehrsart ist im Lahn-Dill-Kreis nahezu unbekannt, im Landkreis Gießen aber fest etabliert.

Der Verkehrsclub Deutschland und der Fahrgastverband PRO BAHN sehen für den Altkreis Wetzlar erheblichen Nachbesserungsbedarf gegenüber vergleichbaren Teilräumen in Hessen bzw. im gesamten Bundesgebiet. Sie fordern, die durchgeführten Kürzungen zurück zu nehmen, mehr Geld in den öffentlichen Haushalten einzustellen, um so ein Teil der Daseinsvorsorge dauerhaft zu sichern. Man sei  seitens der Verbände jederzeit zum Dialog bereit,  so Friedrich Lang und Thomas Kraft abschließend.

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