PRO BAHN Hessen fordert Neuaufstellung aller hessischen Nahverkehrspläne – Busnetzausdehnung, Reaktivierung und Bahnstreckenerweiterung müssen im nachholbedürftigen Hessen durch massiven Quantensprung vorangetrieben werden

Die Neuaufstellung aller hessischen Nahverkehrspläne fordert der Fahrgastverband PRO BAHN. Landesverband Hessen. Dazu gehören einerseits die Regionalen Nahverkehrspläne (RNVP) der Verkehrsverbünde NVV, RMV und VRN, vorrangig mit Zugverkehr. Auch die Lokalen Nahverkehrspläne sind allesamt eine Verfestigung des Ist-Zustandes, bieten nur Perspektivlosigkeit, allenfalls Aufwertungen in Form der Wiederherstellung von Busverbindungen, welche es vor 20, 30 und mehr Jahren schon mal gab. In einigen hessischen Landkreisen muss der inhaltliche Bremsklotz endlich beiseite geräumt werden. Nach Ansicht des Fahrgastverbandes erfüllt keiner der Pläne die aus dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts (vom April 2021) hervorgehenden Klimaziele, weil mit ihnen weder die erforderliche Ausweitung des Fahrgastaufkommens noch eine ausreichende Verlagerung von heutigem Autoverkehr auf die umweltschonenden Verkehrsmittel Eisenbahn, Bus und Straßenbahn erreicht wird. Zudem ist das Land aufgefordert, Bahnstrecken-Reaktivierungen aktiv voranzutreiben, statt auf teils rückwärtsgewandte kommunale Akteure zu warten, welche teils sogar Bahnstrecken abreißen wollen. Bisher schweigt das Land hierzu und kümmert sich auch nicht um Schienengüterverkehr in der Region. Das Verkehrsministerium muss daher per Erlass eine Überarbeitung aller Regionalen und Lokalen Nahverkehrspläne in Hessen bis Silvester 2023 anordnen und den Landkreisen die finanziellen Mittel für einen täglichen Halbstundentakt in alle Orte und auf allen Bahnstecken und Buslinien (als Mindestangebot) bereitstellen.

Die ländlichen Landkreise haben seit der großen Reform des Personenverkehrs 1995, insgesamt ca. 40 Prozent der Busleistungen verloren, darunter der Lahn-Dill-Kreis. Hier gelangt man von den Haupteinsteigepunkten mit Bahnanschluss, Wetzlar, Herborn und Dillenburg, nur noch direkt in den Kernort der umliegenden Großgemeinden. Die kleineren Orte sind lediglich mit dem Umstieg in noch schlechtere Anbindungen erreichbar. Im Vogelsbergkreis ist der Linienbus auf den reinen Schülertransport zurückgefahren worden. 6 Wochen Sommerferien bieten durchgängig für viele Mittelgebirgsorte nur noch Anbindungen mittels Anruf-Sammel-Taxi auf Vorbestellung.

„Das Nachbarland Baden-Württemberg strebt eine Verdoppelung des Fahrgastaufkommens bis 2030 an,“ erklärt der PRO-BAHN -Hessen-Vorsitzende Thomas Kraft. „Wie unser südlicher Nachbar gibt es in Hessen viele ländlich geprägte Gebiete, deren Bevölkerung von steigenden Energiepreisen stark betroffen sein wird. Umso wichtiger ist es, echte Alternativen zum eigenen Auto bereitzustellen. Dazu braucht es einen täglichen Halbstundentakt bis 23 Uhr auch für kleine Orte. Genau dies ist Hauptziel für ganz Baden-Württemberg in wenigen Jahren. Kein hessischer Nahverkehrsplan erfüllt in den Grundparametern der Fläche dieses Erreichbarkeitskriterium.

In Hessen liegen viele Eisenbahnstrecken brach, weil das Land die Reaktivierungsbemühungen den Landkreisen überlässt. Diese müssen sich, z. B. in Groß-Bieberau und Reinheim am Nordrand des Odenwaldes, mit rückstündiger Kommunalpolitik auseinandersetzen, die statt Reaktivierung auf Abriss setzen. PRO BAHN erinnert an Artikel 41 der Landesverfassung, dass eine Überführung der Schienenbahnen in Gemeineigentum vorsieht.

Dieser Verantwortung wird die Landesregierung derzeit nicht gerecht. Weil kommunale Akteure den regionalen Wert von Bahnstrecken für Personen- und Güterverkehr oft nicht erkennen, muss das Land, wie bei seinen Landesstraßen, alle vorhandenen Bahnstrecken sichern und die Reaktivierung der Infrastruktur selbst in die Hand nehmen, z. B. mit der Hessischen Landesbahn oder einen Schieneninfrastrukturgesellschaft, die im Koalitionsvertrag erwähnt ist. Vorhandene Bahnstrecken lassen sich PRO BAHN zufolge binnen weniger Jahre für Güter- und Personenverkehr reaktivieren und damit schneller nutzen als neue Strecken. Ein gutes Programm hat der DGB Hessen im Mai 2021 vorgelegt:
https://hessen-thueringen.dgb.de/++co++40f41e20-b238-11eb-8aaf-001a4a160123 , das über die Vorschläge von Allianz pro Schiene und Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hinausgeht.

Finanziell muss das Land den täglichen Halbstundentakt in alle Orte absichern: Schon vor „Corona“ war die Lage vieler Kommunen schlecht. Die Regierungspräsidien als Kommunalaufsicht, haben entsprechenden keinen Rechtsrahmen, handeln daher klimapolitisch blind und billigen bzw. fordern Haushaltssanierung per Taktausdünnung (wie in Offenbach) oder Verzicht auf flächendeckende Erschließung (wie in Darmstadt-Dieburg). Weil das CO2-Restbudget auch in und für Hessen begrenzt ist, muss der Sektor liefern, der seit 1990 keine Reduktion erreicht hat: Straßen- und Luftverkehr. Mit Bereitstellung eines attraktiven, täglichen Halbstundentakts für Bus und Bahn erreicht die Landesregierung zwei Politikziele auf einmal: Klimaschutz und gute Lebensbedingungen im ganzen Land, darauf muss auch die kurz- und mittelfristige Nahverkehrsplanung auch in Hessen ohne Einschränkungen ausgerichtet sein, so PRO-BAHN-Vorsitzender Thomas Kraft.

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