Barrierefreier Umbau des Bahnhofs Frankfurt-Höchst – nur die halbe Wahrheit

Der Magistrat hat mit der Billigung der Finanzierungsvorlage die Weichen für die Umgestaltung des Bahnhofs Höchst gestellt. Die Verhandlungen zwischen der Stadt, dem Land, dem RMV und insbesondere der Bahn haben deutlich länger gedauert, als ursprünglich angenommen. Nun soll das Projekt nach derzeitigem Zeitplan erst zum Fahrplanwechsel im Dezember 2016 abgeschlossen sein, wird aber zur großen Enttäuschung der älteren und gehbehinderten Fahrgäste nicht komplett barrierefrei ausgeführt werden.

Bhf. Frankfurt-Höchst

Der Bahnhof im Frankfurter Stadtteil Höchst, täglich von 20.000 Menschen frequentiert.

Die Verzögerung für den Beginn der Bauarbeiten war allgemein erwartet worden. Dass es in den zusätzlichen 12 Monaten nicht gelungen ist, eine Lösung für den barrierefreien Zugang zur S-Bahn zu finden, ist für den Fahrgastverband PRO BAHN auf keinen Fall tolerierbar. Nach den derzeit vorliegenden Entwürfen beträgt die Einstiegshöhe vom Bahnsteig in die S-Bahnzüge exakt 20 Zentimeter und zwischen Bahnsteigkante und Wagenkasten klafft zudem noch ein Spalt von 12 Zentimeter. „Das nenne ich nicht barrierefrei“, kritisiert Wilfried Staub, Pressesprecher von PRO BAHN Hessen die ungeheuerliche Stolperfalle, „und dieser Zustand ist erst recht nicht bei einer Station mit über 20.000 Ein- und Aussteigern pro Tag hinnehmbar“. Das für Rollstuhlfahrer behelfsmäßige Auslegen der im Zug mitgeführten mobilen Rampe durch den Lokführer verzögert die Weiterfahrt um mehr als fünf Minuten und bringt bei einer Zugfolge von fünf bis siebeneinhalb Minuten den Fahrplan aller S-Bahnen im City-Tunnel komplett durcheinander. Die jahrelangen Bemühungen der Bürgerinitiative Höchst für einen uneingeschränkten barrierefreien Zugang zur S-Bahn werden mit Füßen getreten.

PRO BAHN hat bereits zu Beginn der Überlegungen des Umbaus der Bahnsteiganlagen in Höchst einen Plan zur Entflechtung der Verkehre vorgelegt, der zudem noch den Vorteil hat, dass er preiswerter zu realisieren ist und es dabei zu keinen betrieblichen Einschränkungen während der Bauphase kommen wird. Das Konzept sieht vor, dass die Güterzüge über die bahnsteiglosen Gleise 6 und 9 geführt werden. Die Regionalexpresszüge der Linie 10 von/nach Wiesbaden/Rheingau und der Linie 20 von/nach Limburg halten zukünftig ausnahmslos am derzeit stillgelegten Bahnsteig 4, der als erster ertüchtigt wird. Danach werden die S-Bahnen Richtung Wiesbaden und Niedernhausen auf Gleis 5 und später die S-Bahnen Richtung Innenstadt auf die Gleise 3 und 4 mit jeweils 96 Zentimeter hoher Bahnsteigkante verschwenkt. Diese Vorgehensweise hat zudem den Charme, dass die Bauarbeiten bereits beginnen können, bevor die endgültige Entscheidung über die tatsächliche Realisierung der RTW gefallen ist und dass der Bahnsteig 1 für eine zukünftige Verlängerung der Straßenbahn 11 in den Bahnhof Höchst freigehalten wird.

Die Entscheidungsträger sind zwangsläufig darauf angewiesen, der Aussage der Bahn blind zu vertrauen, die da lautet, dass das Betriebskonzept keine andere Lösung als einen Mischbetrieb an den S-Bahnsteigen zulässt. Diese Behauptung entspricht jedoch nicht der ganzen Wahrheit. Ein fahrzeugreiner Betrieb ist in Höchst durchaus umsetzbar.

Hierzu müssten lediglich fünf zusätzliche Weichen und eine entsprechende signaltechnische Absicherung zwischen den Stationen Farbwerke und Höchst installiert werden. Die Kosten hierfür in Höhe von etwa 2,7 Millionen Euro müsste allerdings die Bahn aus ihrem Konzerngewinn von rund 2,7 Milliarden Euro selbst aufbringen.

Noch haben der Ortsbeirat 6 und die Stadtverordneten das letzte Wort nicht gesprochen und somit verbleibt eine letzte Chance, bei den Planern von DB Netze bzw. DB Station & Service die Umsetzbarkeit des Vorschlages von PRO BAHN kritisch zu hinterfragen. Die vorgeschlagene Umplanung hätte zudem keinen Einfluss auf die Einhaltung des neuen Zeitplans. Diese zu erwartende Antwort seitens der Bahn entbehrt jeder Grundlage. Der bald 100 Jahre alte Bahnhof Höchst wird erfreulicherweise nun endlich, und zwar für die nächsten 100 Jahre umgestaltet. „Es gilt jetzt, keine halben Sachen zu machen und mit Sinn und Sachverstand in die Zukunft zu investieren“, diesen dringenden Appell richtet PRO BAHN im Interesse der Fahrgäste an alle Verantwortlichen.

Wilfried Staub
Stellv. Landesvorsitzender

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