PRO BAHN Hessen nimmt zum aktuellen Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 mit 7 Eingaben offiziell inhaltlich Stellung

Verfahren wird insbesondere wegen der kurzen Fristen kritisiert

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Der 2. Mai steht für das Ende der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP). Als einen Entwurf mit völlig falschen Vorzeichen so nennt der PRO BAHN Landesverband Hessen den aktuellen Verfahrensstand des BVWP. Viel zu kurz sei der Eingabezeitraum gewesen, mit dem man die scheinbare Bürgerbeteiligung in ein positives Mäntelchen habe einhüllen wollen. Dennoch habe man seitens PRO BAHN Hessen zu mehreren, regional unterschiedlichen Themenfeldern und Einzelprojekten schriftliche Stellungnahmen erstellt und darin deutlich bessere inhaltliche Alternativen aufgezeigt, so der Landesvorsitzende von PRO BAHN Hessen, Thomas Kraft.

Im Rahmen einer öffentlichen Vorstellung des Landesverbandes am Montag wurde auf die insgesamt sieben Stellungnahmen eingegangen, wovon sechs im Namen von PRO BAHN und eine gemeinsam mit anderen Verbänden für das hessische Landesgebiet fristgerecht beim Bundesverkehrsministerium eingereicht wurden.

Stellungnahme 1: Neubaustrecke Frankfurt am Main – Mannheim (Rhein/Main-Rhein/Neckar)
Ganz im Süden hat man auf die geplante Neubaustrecke (NBS) von Frankfurt nach Mannheim Stellung bezogen. Hier sieht der Fahrgastverband PRO BAHN weiterhin die Notwendigkeit, dass auf eine Trassierung der NBS durch Darmstadt mit gleichzeitigem Ausbau des Hauptbahnhofs zum ICE-Halt nicht verzichtet werden kann. Der aktuelle Regionalplan Südhessen sehe diese Neubauvariante eindeutig vor. Mit einer konkreten Darstellung, zwei neue Gleise auf die Trasse der Main-Neckar-Bahn zu legen, somit sowohl dem Güterverkehr als auch dem Schienenpersonenfern- und -nahverkehr gerecht werden kann, geht der PRO BAHN Landesverband in die Offensive. Dadurch könne auf die im BVWP-Entwurf genannten Spangen bei Weiterstadt, Pfungstadt und Klein-Gerau völlig verzichtet werden. Die Umweltauswirkungen und die Baukosten seien deutlich niedriger als bei einem Neubau entlang der A 5 und A 67 an Darmstadt vorbei, so wie ihn das Bundesverkehrsministerium favorisiere. Hingegen müssen die beiden hessischen Großstädte Wiesbaden und Darmstadt, auch unter Berücksichtigung des Netzausbaus untereinander, angemessen an den ICE-Verkehr angebunden werden. Man fordert zudem einen zweigleisigen Neubau der Wallauer Spange, um auch entsprechende Kapazitäten der Schienenverkehrsarten für die Landeshauptstadt und ihre Anbindung Richtung Süden abbilden zu können-

Stellungnahme 2: Ausbau rund um Kassel – Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung
Im Norden des Bundeslandes sieht PRO BAHN erheblichen Nachbesserungsbedarf im BVWP-Entwurf. So sei für die sog. Mitte-Deutschland-Verbindung Düsseldorf-Ruhrgebiet-Kassel-Erfurt-Chemnitz-Dresden im hessischen Abschnitt keinerlei Ausbau vorgesehen, trotzdem dass die Deutsche Bahn plant, mit dem Intercity (IC) 51 im Rahmen des Fernverkehrskonzepts 2030 eine neue Fernzuglinie im 2-Stunden-Takt verkehren zu lassen. Um diese Verbindung mit attraktiven Reisezeiten anbieten zu können, müsse das Bestandsnetz rund um Kassel deutlich ertüchtigt und ausgebaut werden. So sei es unabdingbar, dass die sog. Hümmer Kurve durch eine rund 5 km lange Abkürzungstrasse zwischen Liebenau und Hofgeismar ergänzt und diese nur noch vom Schienenpersonennahverkehr genutzt wird. Im sog. Bestandsnetz „Spiegel-Y-Süd“, welches die alten Strecken bezeichnet, welche südlich des Fernbahnhofs Kassel-Wilhelmshöhe anschließen, fordert PRO BAHN Hessen den viergleisigen Ausbau des Streckenabschnitts zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Guntershausen. Der IC Düsseldorf-Erfurt könne ab KS-Wilhelmshöhe nicht die Schnellfahrstrecke nutzen, die sog. Morschener Kurve sei verworfen. Zwischen Wilhelmshöhe und Guntershausen sind zwei stark ausgelastete Bahnstrecken vereinigt, einerseits die Main-Weser-Bahn Kassel-Gießen-Frankfurt sowie die Strecke Kassel-Bebra. Auf beiden wird auch in Zukunft Fern-, Nah- und Güterverkehr gefahren. Der Bahnhof Guntershausen stellt zudem in seiner Ausbauart einen Zwangspunkt dar, welcher beim Durchfahren nur Geschwindigkeiten von 40 km/h zulässt. Dies ist nicht mehr zeitgemäß und fordert einen umfassenden Ausbau aufgrund der Fernverkehrsnutzung geradezu heraus. Zwischen Guntershausen und Melsungen muss ein drittes Gleis her, um sowohl für die RegioTram sowie für weitere Ausbauten des Schienenpersonennahverkehrs einerseits als auch für den vorweg beschriebenen Mitte-Deutschland-IC-Fernverkehr und den Güterverkehr ausreichende Kapazitäten vorhalten zu können.

Stellungnahme 3: Ausbau der Main-Weser-Bahn / Kassel-Gießen-Frankfurt
Die Main-Weser-Bahn ist Thema einer weiteren Stellungnahme von PRO BAHN zum Bundesverkehrswegeplan. Für den größten Teil der Region Mittelhessen mit den Oberzentren Gießen, Marburg und Wetzlar ist diese Bahnstrecke die schienentechnische Lebensader. Insofern müsse die gesamte Bahnstrecke von Kassel bis Frankfurt als Ausbaustrecke (ABS) in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden. Die Geschwindigkeit für Fernzüge müsse auf mindestens 120 km/h angehoben werden, einige längere Abschnitte bedürften des Ausbaus auf 200 km/h. „Es müsse möglich sein, innerhalb einer Stunde von Gießen nach Kassel zu kommen“, so der Landesvorsitzende Thomas Kraft weiter.

Stellungnahme 4: Korridor für eine Neubauspange in Osthessen anstatt konkreter Variante aktuell
Auch auf die schwer in die öffentliche Kritik geratene ICE-Neubauspange in Osthessen ist Bestandteil der Eingaben von PRO BAHN. Hierzu kritisiert der Fahrgastverband, dass man mit der Variante NBS Blankenheim-Kirchheim sofort mit dem Entwurf des BVWP an die Öffentlichkeit gegangen ist, ohne dass man vorher mit den Verantwortungsträgern vor Ort, mit Interessenverbänden, ja mit Bürgerinnen und Bürgern das Gespräch gesucht hat. Es müsse vielmehr darum gehen, aus aktueller Sicht lediglich einen Korridor von 20 km auszulegen und zum späteren Zeitpunkt im Rahmen eines Dialogforums die genaue Lage einer unverzichtbaren Neubauspange von der Schnellfahrstrecke Fulda-Kassel in Richtung Thüringen definieren zu können.

Stellungnahme 5: Ausbau anstatt kompletter Neubau Hanau-Fulda/Würzburg
Zum Ausbau zwischen Hanau und Fulda, um diesen Abschnitt für Schienenfernverkehr zukunftssicher zu machen, positioniert sich PRO BAHN auch eindeutig. Hier bedarf es keines kompletten Neubaus unter Begriffen wie „Mottgers-Spange“ quer durch den Spessart. Ein solches Mammutprojekt ist überhaupt nicht realisierbar und muss dazu führen, dass man ein für alle mal davon im BVWP Abstand nehmen muss. Für den ICE-Verkehr zwischen Frankfurt und Fulda bzw. Würzburg muss zeitnah gehandelt werden, was den Ausbau der Bestandsstrecken mit kurzen abschnittweisen Neubauten bedeutet. Hier sieht sich PRO BAHN einig mit allen am extra eingerichteten Dialogforum beteiligten Verbänden, Unternehmen und politischen Vertretern, mit welchen man eine gemensame Stellungnahme abgegeben hat. Auf diese, deutschlandweit herausragende Arbeit nimmt der Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) keinerlei Rücksicht.

Stellungnahme 6: Bessere Definition des Knotens Frankfurt im BVWP
Zum „Knoten Frankfurt“ machen die Fahrgastvertreter ebenfalls Ausführungen. Hier fehle es in dem unter einer Plannummer zusammengefassten Titel an konkreten Festsetzungen und Nennungen. Es tauche nirgends die nordmainische S-Bahn auf, obwohl der Ausbau der Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Hanau wesentlich in den Fern- und Güterverkehr der Bahn eingreife. Zudem seien einige Maßnahmen, welche zum Ausbau des Knotens Frankfurt sei vielen Jahren diskutiert und einhellig begrüßt wurden, nicht genannt. So in der Ausbauart könne der Frankfurter Hauptbahnhof die an ihn gerichtete Leistungsforderung nicht erbringen.

Stellungnahme 7: Gewidmete Dietzhölztalbahn nicht durch Ortsumgehung für B 253 überbauen
In Mittelhessen findet sich eine im Verhältnis kleine Stellungnahme von PRO BAHN zum BVWP 2030 wieder. Für den Fachverband ist es unverständlich, wie man erstmalig auf die Idee kommt, die weiterhin gewidmete und in der Reaktivierungsdiskussion befindliche Dietzhölztalbahn mit dem Bau der Umgehungsstraße Frohnhausen/Wissenbach der B 253 zu überplanen. Es gebe keinerlei Anzeichen einer Rückabwicklung, die kommunalen Gebietskörperschaften hätten die Strecke regionalplanerisch festgeschrieben.

Fazit:
Gerade an dem letzten Beispiel werde deutlich, wie die Schwerpunkte pro Straße umso mehr gesetzt wurden. Von den Grundsätzen, als Deutschland die Klimaziele von Paris zu erfüllen, sei in dem Entwurf des BVWP 2030 nichts zu erkennen. Landesvorsitzender Thomas Kraft fordert daher den Hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) auf, sich von der Vorlage des Bundesverkehrsminsters Alexander Dobrindt (CSU) im Grundsatz zu distanzieren. Der Gesamtplan gehöre überarbeitet und die Zeichen einer Verkehrswende als Teil der Energiewende müssten auch in der Verkehrsplanung endlich zur Umsetzung kommen. Die am Beginn des Beteiligungsverfahrens von Landesminister Al-Wazir geäußerte positive Bewertung des BVWP 2030 verwundere doch im Anbetracht dass es sich bei Al-Wazir um einen Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen handele, so der PRO BAHN Landesvorsitzende.

Deutliche Kritik wird auch daran geübt, dass man weiterhin Neubaustrecken für die Geschwindigkeit von 300 km/H plane. Diese sind für das Netz der Deutschen Bahn völlig kontraproduktiv und die Unternehmenspolitik gibt hier deutliche Zeichen der Abkehr davon. Vielmehr ein Bestandsnetz von 150 km/h bis 250 km/h auszubauen, durch Neubauten zu ergänzen und zu erhalten, das sind die Eckdaten, welche eine zukunftsorientierte Politik für die Schiene braucht. Bundesverkehrsminister Dobrindt ist auf verschiedenen Themenfeldern bereits gescheitert und damit der Minister mit den mit Abstand meisten Pannen in der jüngeren Deutschen Geschichte. Zahlreiche Schnellschüsse wie die unausgereifte Form einer PKW-Maut hätten in seiner Amtszeit schon beerdigt werden müssen, nun begehe man beim BVWP 2030 die gleichen Fehler. Daher ergeht die Forderung, insbesondere an die Bundesländer und die Fraktionen des Deutschen Bundestags, die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans in der Zeittafel neu auszurichten und sich für die Detailarbeit im Dialog mit Bürgern, Verbänden, Kommunalpolitik und Wissenschaft die nötige Zeit zu lassen, so der Landesvorsitzende Thomas Kraft abschließend.

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