PRO BAHN Hessen widerspricht Verkehrsminister Al-Wazir zu barrierefreien Bahnhöfen im Bundesland – viel mehr Fehlinterpretation geht nicht, als dieses Höhenwirrwarr der Bahnsteige entlang gleicher Bahnstrecken fortwährend schönzureden

Der PRO BAHN Landesverband Hessen widerspricht dem Hess. Verkehrsminister Al-Wazir in seiner Argumentation im erneut deutlich, was die Barrierefreiheit von Bahnhöfen in Hessen anbetrifft. Die Äußerungen Al-Wazirs gehen auf eine Anfrage von Abgeordneten im Hess. Landtag zurück. Seit Anfang der 2000er Jahre werde mit der Verschleierungstaktik gearbeitet, dass alle Höhenunterschiede bis 21 cm zwischen Bahnsteigkante und Triebfahrzeug als barrierefrei bezeichnet werden. Dies sei ein Affront und eine Herabwürdigung, ein gesellschaftlicher Sündenfall gegenüber den mobiliätseingeschränkten Menschen.

Mag bei dem Stationsausbau die Verbindung von der öffentlichen Straße, vom Gehweg zum Bahnsteig an einigen Orten noch sinnvoll geplant sein, ebenso die Gestaltung von Rampen und Aufzügen, sieht es in der Relation Bahnsteig versus Triebwagen bzw. Zügen in Hessen verheerend aus.

Gerade in Hessen sind auf vielen Strecken Nahverkehrstriebwagen mit 55 cm Einstieghöhe über Schienenoberkante unterwegs, die Höhe der ausgebauten Bahnsteige betrage inzwischen oft 76 cm über Schienenoberkante. Dies könne unter realistischen Bedingungen nicht als barrierefreier Einstieg bezeichnet werden, so der Landesvorsitzende Thomas Kraft. Hessen nehme da eine traurige Sonderrolle ein, weil in den beiden Verkehrsverbünden RMV und NVV aus Sparsamkeitsgründen seit den 1990er Jahren die niedrigeren 55cm-Nahverkehrstriebwagen von Alstom, Stadler und Bombardier beschafft wurden, man aber nun höhere Bahnsteige baue. So gelte der Frankfurter Hbf. als barrierefrei, obwohl die zu niedrigen Züge an den höheren Bahnsteig fahren. Die ausgebaute Niddertalbahn Bad Vilbel-Stockheim habe auf ihrer gesamten Strecke das Problem.

Die Main-Weser-Bahn (Frankfurt-Gießen-Marburg-Kassel) verfüge mit Stadtallendorf und Bad Nauheim über 76 cm hohe Bahnsteige, während Marburg mit 55 cm Bahnsteigen ausgebaut sei. Entlang dieser Bahnstrecke gebe es weitere Beispiele unmittelbar benachbarter Bahnhöfe, wo die Differenz in den Höhenunterschieden gegeben sei. Dieser Betrachtung unterliegen nur die ausgebauten Bahnhöfe. Anhand von Ausbauplänen für weitere Stationen zeichne sich auch ab, dass man vorsätzlich dieses Barriereproblem mit differierenden Bahnsteighöhen noch verschärfe.

Im Jahr 2011 sei man in Hessen mit sog. zwei Ausbauprogrammen an den Start gegangen. Fazit sei, dass noch nicht mal die Hälfte der Stationen, welche bis 2019 fertiggestellt sein sollten, bis heute in Angriff genommen habe. Bei vielen sei weder die Planung angestoßen, noch sei die Finanzierungsfrage umfänglich geklärt.

Fatal sei auch der Vorlaufbetrieb der S-Bahn Rhein/Main. Da man in weiten Teilen die gleichen Gleise wie der Regional- und Fernzugverkehr benutze, wie z.B. zwischen Frankfurt und Wiesbaden, bestünden hier 76 cm hohe Bahnsteige, jedoch wurden 96 cm hohe S-Bahn-Züge beschafft, davon zahlreiche im Jahr 2014 mit der ersten Einsatzzeit bis Ende der 2030er Jahre.

An den Triebfahrzeugen, ob S-Bahn oder Regionalzug, seien an einer Tür manuell zu bedienende Metallvorrichtungen vorhanden. Da es vielfach kein Zugbegleitpersonal gebe und die Fahrpläne eng getaktet seien, können diese nicht wirklich in Funktion genommen werden oder sie sind je nach Station nur bedingt einsetzbar.

Noch schlimmer trifft es die zahlreichen Stationen unter 1.000 Einstiegen pro Tag, welche zahlreich in Nord-, Ost- und Mittelhessen vorhanden sind. Rund 85% dieser Stationen finden in den geplanten Ausbauten überhaupt keine Berücksichtigung, welche weiterhin nur eine Einstiegshöhe von 26 cm oder 38 cm haben. Die überproportionale Investitionsbeschränkung auf den Raum in und um Frankfurt führe dazu, dass ganze Streckenabschnitte auch im Jahr 2060 noch so aussehen werden wie im Jahr 1910.

Das Land Hessen liege in dem Ranking der Barrierefreiheit von Bahnstationen im Vergleich unter allen Bundesländern aktuell auf Platz 14 und habe sich in den letzten 10 Jahren nur vom vorletzten auf den drittletzten Platz verbessert. Fakt sei, dass das Hess. Verkehrsministerium seit vielen Jahren durch mediale Täuschungsmanöver verschleiere, wie schlecht die Situation wirklich ist. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund mit dem Grundsatz der Werbestrategie durch Sonntagsreden ergänze dies zusätzlich, so dass die Bevölkerung von der Fehlentwicklung in Hessen seit Jahrzehnten wenig mitbekomme, so der Fahrgastverband PRO BAHN.

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