Der Fahrgastverband PRO BAHN Mittelhessen befürwortet die Pläne der Stadt bzw. der Stadtwerke Marburg, die Einführung einer Straßenbahn näher zu untersuchen und hofft, dass die Diskussion darüber (auto-)ideologiefrei geführt wird.
„Wir haben den Eindruck, dass die (presse-)öffentliche Diskussion über eine Tram für die Universitätsstadt Marburg derzeit vor allem von Emotionen und wenig Sachinformationen getragen wird“, so Thomas Kraft, der Regionalvorsitzende von PRO BAHN. „Da ist von ‚Träumen‘ und ‚Visionen‘ die Rede, immer wieder wird das Bild der ehemaligem ‚Elektrischen‘ aus dem Jahr 1911 bemüht. Außer Acht gelassen wird dabei, dass Straßenbahnen heute sehr moderne, elektromobile Nahverkehrsmittel sind. Beim Auto wird die Elektromobilität gerade erst erfunden.“
Eine Straßenbahn mit dem heute noch utopischen „selbstfahrenden“ Auto zu messen, wie in einem Zeitungskommentar geschehen, ist ebenfalls Äpfel mit Birnen verglichen. Der Sinn einer Straßenbahn ist ja gerade, die engen Innenstadtstraßen vom Autoverkehr zu entlasten.
„Selbstfahrende“ Autos dagegen werden wohl wegen des Sicherheitsabstandes noch mehr Platz als heutige Fahrzeuge benötigen. Sie werden den Auto-Stau in der engen Marburger Innenstadt also nicht beseitigen, sondern sogar noch vergrößern.
Auf die Gründe, warum überhaupt über die Einführung einer Straßenbahn in Marburg diskutiert wird, wird gar nicht eingegangen. Fakt ist: Das größte Verkehrshindernis in Marburg ist das Auto selbst, für mehr Individualverkehr ist – insbesondere in den Hauptverkehrszeiten – im engen Lahntal und in den Innenstadtstraßen sowie auf dem Weg zum Uni-Campus Lahnberge schlicht kein Platz mehr. „Wenn noch mehr Menschen in der Innenstadt und auf den Lahnbergen leben und arbeiten sollen und die Unistadt mehr Wachstum und eine Zukunftsperspektive bekommen soll, müssen neue Verkehrskonzepte her. Eine Straßenbahn ist kein Allheilmittel, um alle Verkehrsprobleme in Marburg zu lösen, aber sie kann ein wichtiger Baustein sein.“, so Thomas Kraft von PRO BAHN.
Andere Städte in Deutschland und im nahen Ausland haben es in den vergangenen Jahren schon vorgemacht: Heilbronn (als kleine Großstadt auch nicht so viel größer als Marburg) hat 2001 erstmals Straßenbahnschienen durch die Innenstadt verlegt und gerade eine zweite Linie in Betrieb genommen. Orte wie Vellmar (18.000 Einwohner) oder Bad Wildbad (10.000 Einwohner) haben in den vergangenen Jahren Trambahnanschlüsse bekommen. Auch die schwäbischen Städtenachbarn Tübingen und Reutlingen (vergleichbar mit Marburg und Gießen) sind schon weiter: Für Teile des Tram-Netzes, das die beiden Kommunen mit dem Umland verbinden soll, wurde bereits das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Bei dieser „Regionalstadtbahn Neckar-Alb“, soll es auch Schienenstrecken durch die Innenstädte von Tübingen und Reutlingen geben.
Großes Vorbild beim Bau von neuen Straßenbahnen ist Frankreich. In den vergangenen 30 Jahren wurden über 25 neue Tram-Netze aufgebaut, darunter auch in vielen mittelgroßen Städten. Ein Beispiel ist die nordfranzösische Universitätsstadt Valenciennes (40.000 Einwohner), die vor zehn Jahren die Straßen aufriss, Straßenbahnschienen verlegte und den Uni-Campus an die Innenstadt anschloss, Inzwischen wurde auch hier bereits eine zweite Linie gebaut und in Betrieb genommen.
„Straßenbahnen machen also auch in mittelgroßen Städten Sinn“, weiß Thomas Kraft von PRO BAHN. „Ob auch in Marburg wieder eine Straßenbahn fährt, werden am Ende die Stadtverordneten und damit die Bürger entscheiden. Aber sie sollten die Diskussion darüber mit Sachargumenten führen und über den ‚Tellerrand‘ des engen Tales zwischen Lahnberge und Marburger Rücken hinaus schauen, wie andere Städte ihre Verkehrsprobleme bereits mit einer Tram gelöst haben“, so der Regionalvorsitzende des Fahrgastverbandes.
Da man schon lange weiß, dass der RMV eine zur Nachhaltigkeit gegenläufige Infrastrukturpolitik betreibt, hätte ein anderes Unternehmen mit dem Gutachten beauftragt werden müssen. PRO BAHN bezweifelt die RMV-Politik deutlich und sieht es als unumstößlich an, dass was auf anderen Bahnstrecken in Deutschland mit entsprechender Bewertung angelaufen und erfolgreich in Betrieb ist, auch auf die Lumdatalbahn übertragbar sein muss.
Reinhard Ahrens vom PRO BAHN Regionalverband Mittelhessen fordert grundsätzlich mehr Transparenz in laufenden Reaktivierungsverfahren. Außerdem fordert der Fahrgastverband Einsichtnahme in das vorliegende Gutachten. Es muss eine erneute gutachterliche Bewertung eines neutralen Institutes erfolgen.
PRO BAHN Mittelhessen sagt dem Verein Lumdatalbahn in seinem weiteren Kampf die uneingeschränkte ideelle Unterstützung zu und ruft alle Verbände zur gemeinsamen Aktion gegen die gutachterliche Bewertung und daraus abzuleitender Entscheidungen auf.