Mit einer Veranstaltung zum Thema Grundstücksübertragungen für den geplanten viergleisigen Ausbau der Main-Weser-Bahn zwischen Frankfurt-West und Friedberg geht der Verein „Bahnane“ erneut unsachlich und mit Falschaussagen an die Öffentlichkeit. In der Ausgabe Nr. 109 vom September 2015 hat unser Redaktionsmitglied Wilfried Staub einen größeren Bericht zur Unsachlichkeit von Bahnane geschrieben. Er hat in seiner Aktualität nichts eingebüst. Daher veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle nochmals. 1,8 Millionen Menschen leben im Einzugsbereich der Main-Weser-Bahn. Es ist eine Frechheit, wie die Partikularinteressen einzelner dies hier zum Schaden der Allgemeinheit durchsetzen wollen. PRO BAHN wird sich jedoch mit Verbänden und Organisationen verbünden, um letztlich den Ausbau durchzusetzen.
Kommentar von Wilfried Staub vom PRO BAHN Regionalverband Großraum Frankfurt
„Alles Banane oder was?“, „Ausbau der Main- Weser-Bahn vor dem Aus?“: So titelten – bewusst provokativ – die Frankfurter Medien den Verlauf einer Pressekonferenz des so genannten Aktionsbündnis Bahnane Ende Juli. Bahnane nennen sich die Ausbaugegner. Es ist die Abkürzung für BahnAusbau nur Anwohnerkonform Naturverträglich Erschütterungsfrei.
Bürgerinitiativen haben durchaus ihre demokratische Legitimation und nachweislich bereits das eine oder andere großspurige Projekt zu Fall gebracht, das
Planer oder Politiker ohne Rücksicht aufKosten, Folgekosten und Nutzen für die Allgemeinheit sonst in die Welt gesetzt hätten. Bei der einen oder anderen Gruppierung wird der unbedarfte Beobachter aber das Gefühl nicht los, dass bestimmte Herrschaften ihren Namen gerne in der Zeitung lesen, sich unter Herausstellung von Halbwahrheiten profilieren wollen oder eine Posse daraus machen, es der Obrigkeit wieder einmal gezeigt zu haben. Zu welcher Kategorie das „Aktionsbündnis Bahnane“ zählt, das sich bewusst selbst nicht als eine Initiative der Bürger versteht, darüber möge sich jeder Leser selbst seine Gedanken machen. Hierzu empfiehlt sich das Studium der Homepage des Vereins.
„Vier Gleise für die S6 – wir halten das schon lange für ein Märchen“, ist der Aufhänger der aktuellen Pressemitteilung und von Schwindel bei der Finanzierung
ist die Rede. Von vier Gleisen war jedoch zu keinem Zeitpunkt die Rede. Die aufgestellte Forderung belegt allerdings wieder einmal, dass man zwar mitreden
möchte, aber im Grunde nicht versteht, um was es eigentlich geht. Zutreffend ist, dass sich die S-Bahn die Gleise seit 35 Jahren von Frankfurt-Bockenheim bis Friedberg mit dem Regional-, Fern- und Güterverkehr Trasse teilen muss – eine Strecke, auf der von Jahr zu Jahr die Trassenkonflikte zulasten der Schwächeren („Bummelzüge“) dramatisch zunehmen. Damit nun endlich – wie es weltweit üblich ist und wie es im Interesse von täglich 40.000 Nutzern liegt – die Pünktlichkeit verbessert und die Reisezeit deutlich verkürzt werden kann, bedarf es eines eigenen Gleiskörpers zur Entflechtung der Verkehre mit unterschiedlichen Reisegeschwindigkeiten.
Menschen mit Behinderung bleiben auf der Strecke
Ein ganz entscheidendes Argument für das Projekt wird dabei von Bahnane geflissentlich unter den Tisch gekehrt, weil es für die Nein-Sager kontraproduktiv
ist. Nur durch den Bau eines eigenen S-Bahn-Gleiskörpers kann ein hundertprozentiger barrierefreier Zugang über die 96 cm hohen Bahnsteige in die Waggons ermöglicht werden. Bei einem Mischverkehr sind nur maximal 76 cm über Schienenoberkante als Bahnsteighöhe zulässig, weil sonst keine Güterzüge
mit Überbreite mehr verkehren könnten. Rollstuhlfahrer und Menschen mit Behinderung bleibt also die Nutzung der S-Bahn auf Dauer nur mit erheblichen
Einschränkungen möglich, da eine Stufe von bis zu 22 cm beim Ein- und Ausstieg in die Wagen überwunden werden muss. Die täglichen Probleme behinderter Menschen interessieren Bahnane also ganz offensichtlich nur peripher.
Die Bahnane -Leute haben auf der anderen Seite ohne jeden Widerspruch Recht, wenn sie feststellen, dass auf dem zusätzlichen Gleiskörper keine einzige S
6 zusätzlich verkehren wird gegenüber heute. Das hat allerdings auch kein Offizieller zu keiner Zeit jemals behauptet. Es geht einzig und allein um eine
merkliche Qualitätsverbesserung, wie sie bereits 1978 als Voraussetzung für einen störungsfreien Betriebsablauf des Gesamtnetzes und des „Engpasses Tunnel“
gefordert wurden. Stadtschnellbahnen verkehren weltweit aus gutem Grund auf eigenen Schienensträngen. Diese Forderung gilt auch für die S-Bahn Rhein-
Main. Steigt das Fahrgastaufkommen in der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main so unaufhaltsam weiter wie in den letzten Jahren, dann muss allerdings über
kurz oder lang über einen Zwischentakt zwischen Bad Vilbel und Frankfurt Hbf hoch bzw. Niederrad, Gateway Gardens und Flughafen nachgedacht werden,
sodass auf dem Streckenabschnitt bis zur Messe dann alle siebeneinhalb Minuten eine Bahn verkehren könnte. Und noch in einem zweiten Punkt sind die Annahmen von Bahnane durchaus zutreffend. Allerdings wird in bewährter Manier nur die halbe Wahrheit verkündet. Der Güterverkehr wird auf der Main-Weser-Bahn zunehmen. Das ist Fakt und damit müssen wir uns den Gegebenheiten gehorchend abfinden. Den Menschen in Rheintal kann man nun einmal keine zusätzlichen Zugbewegungen mehr zumuten. Echte Alternativen stehen in vielleicht 40 Jahren linksrheinisch zur Verfügung. Wenn zudem bestimmte Zukunftsforscher Recht behalten, dann muss im Bereich des Korridors entlang des Rheins und weiter bis zum Mittelmeer insbesondere von Juli bis Dezember, wenn der Schiffsverkehr auf dem Rhein nach Abschmelzen der Alpengletscher wegen Niedrigwasser in absehbarer Zukunft zeitweise eingestellt werden muss, eine dritte leistungsfähige Schienenverbindung in diesem Korridor
zur Verfügung stehen. Diese Güterzüge rollen jedoch auf der östlichen Tangente kaum tagsüber – hier werden die Slots nämlich für zusätzliche (über-) regionale
Verbindungen (HessenExpress) benötigt – sondern vornehmlich in den Nachtstunden. Doch dazu bedarf es während der Betriebsruhe der S-Bahn bzw. in der Schwachverkehrszeit der Personenzüge schon heute keines einzigen Meters zusätzlicher Gleise.
Lärmschutz – das Gebot der Stunde
Wird die Main-Weser-Bahn also nicht schleunigst viergleisig zwischen Frankfurt-West und Friedberg ausgebaut, werden die Menschen entlang der Strecke nachts mit einem kaum erträglichen Lärmpegel leben müssen, denn der Bahnkonzernkann sich auf den sogenannten Bestandsschutz berufen und brauchte keinerlei Maßnahmen zur Lärmminderung ergreifen. Und selbst wenn er es wollte, sind ihm die Hände gebunden. Der Bau eines lärmschluckenden Gleisbetts nach neuestem Stand der Technik setzt eine mindestens halbjährige Sperrung eines Richtungsgleises auf einer Länge von mehreren Kilometern voraus. Das ist aber nur dann machbar, wenn die zuvor errichteten Gleise der neuen S-Bahnstrecke (dann noch ohne Bahnsteigkante) während der Bauphase als vorübergehende Ausweichstrecke zur Verfügung stehen. Auch ein moderner Lärmschutz sieht nach neuesten Erkenntnissen ganz anders aus, als ihn Bahnane als Abschreckungsszenario an die nach ihrer Ansicht erforderlichen zwölf Meter hohen Schallschutzwände malt. Und noch einen Vorwurf muss sich das Aktionsbündnis gegen einen Ausbau der Strecke gefallen lassen. Die kritisierte Explosion der Baukosten um 81 Millionen geht zum größten Teil auf Verteuerungen als Folge der Verzögerungen bei der zeitlichen Umsetzung der ursprünglichen Pläne zurück.
Die Inbetriebnahme der Ausbaustrecke war einmal für 2013 angedacht. Baubeginn ist jetzt 2017 und Fertigstellung soll 2019 sein. Eine leistungsfähige Main-Weser-
Bahn macht eine Verbreiterung der A 5 um zwei weitere Spuren nach Ansicht von PRO BAHN überflüssig. Auch das sollten wir nicht außer Acht lassen. Den
Menschen in der Wetterau und im Gießener Raum bis hin nach Marburg und Dillenburg stehen nach dem Ausbau der Strecke im Berufsverkehr deutlich mehr
Sitzplätze und bis zu sieben umsteigefreie Schnellverbindungen pro Stunde (SE, RE, IRE, IC) zur Verfügung. Der Lärmpegel nachts wird durch ein Bündel
von Maßnahmen wesentlich erträglicher sein als derzeit vorstellbar. Beim Flug- und Autoverkehr haben wir akzeptiert, dass wir in der Region im Herzens Europas nicht nur die Früchte des Zentrums Europas genießen dürfen, sondern auch mit gewissen Nachteilen leben müssen. Welches Recht nehmen sich einige wenige Personen heraus, dem umweltfreundlichsten Verkehrsmittel immer wieder Steine in den Weg legen zu wollen und den unmittelbaren Anwohnern der Strecke auf Dauer einen zumutbaren Geräuschpegel der (Vorschlag:) auf 60 km/h reduzierten Güterzüge mit Flüsterbremsen zu verwehren oder den von weit herkommenden Pendlern Stehplätze zuzumuten? Die Berechnung des Nutzen-Kosten-Faktors ist beim Mischverkehr eine hochkomplexe Angelegenheit. Wie dieser Faktor auch ausfallen mag, sollte eigentlich Nebensache sein. Wichtig ist, dass ein ganz epochales Projekt zur Erhaltung des Wirtschaftsstandorts Deutschland jetzt und nicht erst in ferner Zukunft – bei noch höheren Kosten – in Angriff genommen wird.