Bei seinem jüngsten Treffen in Herborn hat sich der PRO BAHN Regionalverband Mittelhessen intensiv mit der Situation rund um die Dietzhölztalbahn befasst. Der Antrag auf Freistellung der weiterhin als Bahnverkehrsfläche gewidmeten Gesamttrasse, welcher nun durch die Gemeinde Eschenburg auf den Weg gebracht wurde, zeuge von wenig Wissen über die Ausrichtung der Verkehrsinfrastruktur im 21. Jahrhundert, so die Fahrgastvertreter.
Der Bürgermeister der Gemeinde Eschenburg, Götz Konrad (parteilos), behaupte seit langem, dass nur auf der Bahntrasse eine neue Umgehungsstraße für die B 253 um den Eschenburger Ortsteil Wissenbach sowie den Dillenburger Stadtteil Frohnhausen gebaut werden könne. Dies sei wissentlich falsch und die Trassenführung seitens der zuständigen Fachbehörden noch lange nicht festgelegt. Vielmehr sei es so, dass für die Umgehungsstraße erst ein mehrjähriges Trassenfindungsverfahren eingeleitet werden müsse, woraus nicht resultieren müsse, die Umgehungsstraße auf der Bahntrasse zu bauen. Die Bahntrasse reiche zudem ohnehin nicht aus, weil der Bauraum und die spätere Verkehrsfläche viel breiter ausgelegt werden müsste, als die Bahntrasse dies hergeben kann.
Daher sei die Freistellung der Bahntrasse der Dietzhölztalbahn im Moment überhaupt nicht indiziert und es nur als radikale Denkblockade von Bürgermeister Konrad zu bezeichnen, wenn er meint, diesen Akt der Bahnzerstörung nun unbedingt vorantreiben zu müssen. Die gesamte Verhaltensweise von ihm, sich nicht auf einen akzeptablen geordneten Dialog einzulassen, selbst wenn man mit völlig unterschiedlichen Auffassungen in ihn eintritt, zeuge von inakzeptablem, dem Amt eines Bürgermeisters unwürdigen Stil.
Den kommunalen Vertretern im nördlichen Lahn-Dill-Kreis, welche die These vertreten, dass „der Zug für die Dietzhölztalbahn abgefahren sei“, diesen sei anzuraten, die inzwischen zahlreichen Erfolgsmodelle der Reaktivierung und des Neubaus von Bahnstrecken, welche im zentraleuropäischen Raum entstanden sind, mal näher anzuschauen. Hierunter seien zahlreiche Strecken im ländlichen Raum, welche mit der Situation im Dietzhölztal vergleichbar sind. Gegenüber dem vorherigen Linienbusverkehr ist bei den „neuen Bahnen“ eine Verdrei- bis Versechsfachung der Fahrgastzahlen zu verzeichnen.
Niemand hat die Notwenigkeit des Neubaus der Umgehungsstraße für die B 253 infrage gestellt, da Frohnhausen und Wissenbach massiv durch den Durchgangsverkehr belastet werden. Dies sieht auch der PRO BAHN Regionalverband Mittelhessen und der Verein „Dietzhölztalbahn e.V“ so. Der Bau der Umgehung könne aber auch weit abseits der Bahntrasse oder direkt neben der Bahnstrecke erfolgen. Wenn man in der Breite 30-40 Meter Landschaft verändert, dann stören rund 6 Meter für die Bahn auch nicht und können direkt nebeneinander existieren.
Die Frage dürfe auch gestellt sein, warum denn das massive Verkehrsaufkommen auf der B 253 besteht. Die früher einmal parallel verlaufende Scheldetalbahn Biedenkopf-Dillenburg wurde 1987 ebenfalls stillgelegt und wurde in einer Weise zerstört, wie dies nun für die Dietzhölztalbahn auch zu befürchten ist. Heute gibt es nur noch einen werktäglichen 2-Stunden-Takt mit dem Lokalbus zwischen den ehemaligen Kreisstädten. Dass dann die Menschen aus dem Hinterland das Auto nehmen, das liege doch auf der Hand.
PRO BAHN Mittelhessen kritisiert die durch die seitens der Bahngegner entstandene, einseitige Suggerierung von Botschaften, welche in weite Teile der Bevölkerung getragen wurden. Die Situation der 1960er-1980er Jahre, als in Hessen viele Bahnstrecken stillgelegt wurden, darunter die Dietzhölztalbahn 1987, sei mit heute nicht mehr vergleichbar. Damals seien die roten Uerdinger Schienenbusse ohne ein einheitliches Fahrpreissystem im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unterwegs gewesen. Bei jedem Umsteigen war ein neuer Fahrschein erforderlich. Dann waren die Fahrpläne nicht aufeinander abgestimmt. Heute werde man angesichts des Klimawandels und der Verkehrswende dringend umsteuern müssen. Nun wird Politik für alle Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts zu gestalten sein und das bedeute auch, die öffentliche Mobilität für ein Mehrfaches an Fahrgästen auch zwischen Ewersbach und Dillenburg zu gewährleisten. Auf Nebenstrecken wie der Dietzhölztalbahn fahren heute moderne geräuscharme Nahverkehrstriebwagen, künftig auch mit alternativen klimaneutralen Antrieben.
Die vielfachen Gedanken um die Verkehrswende und den Klimawandel bedeuten auch, dass solche Verkehrsflächen zumindest für eine spätere Verkehrsplanung, wie sie auch immer im Detail aussieht, von anderweitigen baulichen Veränderungen freizuhalten sind, ja geschützt werden müssen. Bei einer Überbauung der Dietzhölztalbahn würde für die Zukunft eine unwiederbringliche Chance zerstört, für den nördlichsten Teil des Lahn-Dill-Kreises eine öffentliche Mobilität im für den Klimawandel notwendigen Umfang herzustellen. Den ÖPNV werden in 10, in 50 Jahren immer mehr Menschen nutzen wollen und nicht nur 10% der Bevölkerung, wie dies heute der Fall ist.
Im Sinne der Sache und in guter Verbundenheit werde man mit Dietzhölztalbahn e.V. alle Möglichkeiten ausnutzen, um die Entwidmung und den Rückbau der Bahntrasse sowie die anderweitige Nutzung zu verhindern.