Zwei Phasen der Fahrplaneinschränkung mussten die Fahrgäste der Main-Weser-Bahn, der wichtigsten Hauptachse des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) Hessens, im Sommer 2022 hinnehmen.
Vom 13.06.-08.07. fuhren nur noch jeweils zweistündlich der RE30 Doppelstock sowie der RE98/99 der Hessischen Landesbahn (HLB) den direkten Weg. Der Mittelhessen-Express RB40/41 fuhr bereits ohne Zwischenhalte ab Friedberg bis Hanau und von dort nordmainisch bis zum Endpunkt Frankfurt-Süd. Die RB49 blieb noch als Zug mit Zwischenhalten von Friedberg bis Hanau bestehen.
Vom 09.07.-04.09. kam dann die achtwöchige Vollsperrung. Der RE30 und der RE98/99 fuhren nun ab Friedberg die Umleitungsstrecke, jedoch ohne Halt über Hanau, dann mit Stopp in Frankfurt-Ost und am Endpunkt Frankfurt-Süd. Die RB49 entfiel ganz, die RB40/41 fuhr ab Friedberg mit allen Unterwegshalten nur bis Hanau und wendete dort.
Im Fernverkehr wurde die DB-FV-Linie 26 während der gesamten Phase mit Halt in Frankfurt-Süd über Hanau umgeleitet. Die DB-FV-Linie 34 endete ab dem 09.07. von Norden kommend in Friedberg.
Das Fazit: Der Umleitungsfahrplan während der Vollsperrung ist völlig in die Hose gegangen. Mittelhessen als Region mit 1 Mio. Einwohnern derart abzuhängen, kann so als Interessensvertretung für Fahrgäste nicht akzeptiert werden. Wir artikulieren auch an dieser Stelle unseren deutlichen Protest. Die verantwortlichen Stellen des Verkehrswesens, u.a. DB Netz, DB Regio, RMV, sie haben völlig versagt. So etwas wollen wir für die Zukunft nicht mehr. Wann immer es erforderlich ist, werden wir das Versagen vom Sommer 2022 artikulieren und andere Fahrpläne einfordern sowie im Vorfeld versuchen, dass es nie mehr soweit kommt.
Dies sind deutliche Worte, welche wir an folgenden Fakten festmachen. Man kann nicht die Region Mittelhessen komplett vom Frankfurter Hbf abkoppeln. Wenn hier Bauarbeiten im Hbf mit der Sperrung der Gleise 12 und 13 ins Feld geführt werden, so hätte es trotzdem Lösungen gegeben.
Die noch verbliebenen SPNV-Leistungen aus Mittelhessen wurden alle ab Hanau über die nordmainische Strecke, d.h. über Maintal, abgewickelt. Dort befinden sich im Taktfahrplan lediglich die Leistungen der Achse von und in Richtung Aschaffenburg/Unterfranken mit den Linien RE54, RB58, RB59. Die Verantwortlichen des Verkehrswesens waren nicht bereit, auch nur ein Jota von anderen SPNV-Achsen während dieser acht Wochen zu verändern. In früheren Fällen lief dies bei Baustellen an anderen Orten anders. Die Region westliches Unterfranken hat mit Aschaffenburg (70.000 Einwohner) ansonsten nur eine eher ländliche Struktur. Mit geringfügigen Anpassungen der RE54, RB58 und RB59 wäre es möglich gewesen, auf der nordmainischen Seite mehr SPNV-Leistungen aus Mittelhessen darzustellen. Die Verstärkerfahrten, welche nur von Frankfurt kommend bis Hanau fahren, hätte man herausnehmen können. Die auf allen Unterwegsstationen haltenden RB58 hätten teilweise nur wenige Minuten verschoben werden müssen. Die Freigabe der zweistündlichen DB-FV Linie 26 (ICE) zwischen Friedberg und Frankfurt Süd kann nicht als Ersatz für die ausfallenden und nicht bis Frankfurt durchgebundene Nahverkehrsleitungen gesehen werden. Darüber hinaus hätte die Freigabe dieser Linie von Friedberg bis zumindest nach Marburg erweitert werden müssen, um einen richtigen Nutzen zu haben. Für den Umstieg aus dem Mittelhessen-Express von Gießen, Butzbach in Friedberg für die Weiterfahrt nach Frankfurt stellte sich die ICE-Linie als ungeeignet dar. Der Plan des RMV war nämlich die Linie für diese Umsteiger zu nutzen.
Zweiter Punkt, die Gleisbelegung im Frankfurter Hbf. Okay, die Gleise 12 und 13 stehen nicht zur Verfügung. Die Gleise 14 und 15, auf welchen normalerweise die meisten Züge aus Mittelhessen enden und wenden, stand fast die gesamten acht Wochen lang leer. Gut, auch hier muss man sagen, es gab im Zulauf auf den Hauptbahnhof Gleisbauarbeiten. Die dauerten nicht acht Wochen und erstreckten sich im Schwerpunkt auf den Bereich in Höhe Galluswarte, nördliche Camberger Straße. So wäre es möglich gewesen, aus Süden und Westen kommende RB- und RE-Linien in Frankfurt auf die Gleise 14 und 15 zu verlegen, welche sonst auf den Gleisen 10 und 11 und anderen Gleisen halten.
Unser Konzeptionsgedanke: Die RE30 und RE98/99 wären in den Hauptbahnhof eingefahren. Die RB40/41 hätte in Frankfurt-Süd gewendet und die Verstärkerfahrten Frankfurt-Hanau mit allen Unterwegshalten u.a. in Maintal, mitgenommen. Wenn es phasenweise erforderlich geworden wäre, die „große Schleife“ über Louisa, Sportfeld und Niederrad mitzunehmen, dann hätte man dies auch akzeptiert. Jedoch wäre auch dies nicht während der gesamten acht Wochen notwendig gewesen, wenn man die Leistung aus Unterfranken angepasst hätte. Anscheinend sind den Verantwortlichen bei DB und RMV die Fahrgäste aus Unterfranken mehr wert als die Fahrgäste aus Nord- und Mittelhessen. Inzwischen widerlegte Aussage der Verkehrsverantwortlichen: Wenn die Züge in den Hauptbahnhof einfahren, gibt es zu große Verspätungen.
Diese These wurde im Vorfeld über Monate gegenüber der Öffentlichkeit ins Feld geführt, um den misslungenen Fahrplan zu verteidigen. Die Realität hat die Herrschaften eingeholt. Wie sich der Unwille des Verkehrswesens auswirkt, konnte man im Alltag der acht Wochen sehen. Die nur von und bis Hanau fahrenden RB40/41 hatte zu 40% Verspätungen von mehr als 30 Minuten, 10% ihrer Fahrten sind ganz ausgefallen oder man hat sie auf der Teilstrecke wegen der großen Verspätung wenden lassen. 25% hatten Verspätungen von über 15 Minuten, nur 25% hatten weniger als 15 Minuten oder waren gem. Eisenbahnwesen pünktlich. Die RE30 und RE98/99 fuhren zu 60% Verspätungen von 30 Minuten und mehr ein, 10% haben vorzeitig gewendet, Komplettausfälle wurden nicht festgestellt. 30% hatten Verspätungen von mehr als 15 Minuten und nur 10% hatten weniger als 15 Minuten Verspätung oder waren pünktlich. Hohe Verspätungen hatten zur Folge, dass viel Fahrgäste die vorgesehenen Bahn- und Busanschlüsse (z.B. in Friedberg, Marburg) standardmäßig nicht erreichen konnten. Diese Werte beruhen auf der Erfassung mehrerer ehrenamtlich Tätiger, welche täglich die Main-Weser-Bahn aus beruflichen Gründen nutzen. Sie zeigen deutlich auf, dass es nichts gebracht hat, die kompletten SPNV-Leistungen der Main-Weser-Bahn für acht Wochen im Frankfurter Hauptbahnhof zu streichen. Der vorweg beschriebene Gesamtvorschlag mit der RB40/41 bis Frankfurt-Süd und den RE30, RE98/99 bis Frankfurt Hbf wäre nicht störanfälliger gewesen.
Eine deutliche Kritik muss an dieser Stelle zusätzlich vorgebracht werden. Die letztgenannten RE-Züge hielten alle an Gleis 9 in Frankfurt-Süd. Dies ist ein viel zu schmaler Bahnsteig mit nur einer Treppe. An solch einem Bahnsteig einen überfüllten Zug mit allein schon knapp 800 Sitzplätzen enden zu lassen und in der geplanten Wendezeit von nur 15 Minuten dort die Menschen inkl. Gepäck, Fahrräder, Kinderwagen, aus- und einsteigen zu lassen, war verantwortungslos und risikobehaftet. Die Menschen sind, um schneller zur Treppe zu gelangen, in den ersten Wochen teils zu Dutzenden über das in Betrieb befindliche Nachbargleis 10 gelaufen. Dass Menschen zu Schaden kommen könnten, wurde fahrlässigerweise nicht beachtet. Nach drei Wochen standen Bahnsteiglotsen an Gleis 9, die die Situation wegen der Menschenmassen jedoch nur zum Teil unter Kontrolle bringen konnten.
Diese tumultartigen Szenen ereigneten sich insbesondere auch an den großen Unterwegshalten Marburg, Gießen und Friedberg. Die Leistung RB40/RB41 mit dem aufwendigen und unzuverlässigen Umstieg in Hanau hatten die Gelegenheitsfahr-gäste nicht auf dem Schirm und quetschten sich alle in den stündlichen Zug. Noch ein Kritikpunkt, die Fahrgastinformation. Die Daten wurden teils überhaupt nicht aktuell bereitgestellt oder stimmten nicht. Zusagen von Zugbegleitpersonal, dass z.B. bei der vorzeitigen Wende der Nachfolgezug auch diverse Zwischenhalte anfahren würde, stimmten in der Realität nicht, die Menschen mussten in Einzelfällen 50 km lange Rückfahrten in Kauf nehmen.
Um die Unterwegshalte der S6 zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel bzw. Groß-Karben zu bedienen gab es einen Schienenersatzverkehr mit Bussen. Die Busse fuhren als Expresslinie (S6X) von Frankfurt Hauptbahnhof nach Bad Vilbel bzw. Groß-Karben und zusätzlich unter der langsameren Linie S6E, welche auch die S-Bahnstationen zwischen Frankfurt-west und Bad Vilbel Süd bediente. Beim Schienenersatzverkehr stellte sich insbesondere am Anfang heraus, dass das Busfahrpersonal Hilfe der Fahrgäste benötigte um den eignen Linienweg zu finden. Es hätte für das gesamte Fahrpersonal vor der Sperrung eine Unterweisung in ihren linienweg stattfinden müssen, so etwas Peinliches darf nicht passieren. Des Weiteren stellte es sich für viele Fahrgäste als eine nicht gerade einfache Aufgabe heraus die jeweiligen Haltestellen des Schienenersatzverkehres zu finden. Die Haltestellen waren oft weiter von den S-Bahnstationen entfernt und die Ausschilderung des Weges zum Schienenersatzverkehr war sehr mangelhaft.
Fazit: Der Umleitungsfahrplan 2022 ist in die Hose gegangen. Wir fordern von PRO BAHN Leistungen gemäß der Umleitungsfahrpläne 2017, 2018, 2019 und 2020. Zudem gehört solch eine umfassende Maßnahme breiter vorbereitet und diskutiert. Gut wäre, wenn es auch bei dem Main-Weser-Bahn-Ausbau ein Beteiligungsforum geben würde, in welchem frühzeitig solche Umleitungsverkehre gemeinsam entwickelt werden.
Die nächste Sperrung der Main-Weser-Bahn steht nun auch schon wieder an, vom 21.10 bis 30.10 ist die Strecke für den Regionalexpress- und Regionalbahnverkehr gesperrt. Die S-Bahn verkehrt unter der Woche tagsüber nur im Halbstundentakt zwischen Frankfurt und Groß Karben, Friedberg. Wir halten es für nicht zumutbar gegenüber den Fahrgästen nach einer solch langen Sperrung ca. 7 Wochen später die Strecke wieder für den Regionalverkehr zu sperren. Das Baustellenkonzept sieht auch keine spürbaren Verbesserungen vor, der Mittelhessen-Express endet wieder in Hanau und der RE98/99 wieder in Frankfurt Süd.