Das Nahmobilitätsgesetz – so kann keine Verkehrswende gelingen – Kritik an Verweigerung und falschem Kurs der Hessischen Landesregierung

Wir stellen fest, dass das vorliegende Nahmobilitätsgesetz keinen einzigen Punkt zum öffentlichen Personenverkehr enthält und auch sonst in den Bereichen Fuß-
und Radverkehr nur wenige Punkte des von der Initiative „Verkehrswende Hessen“ entworfenen Verkehrswendegesetzes aufgreift.

Ziel des von uns geforderten Verkehrswendegesetzes ist laut Präambel die Förderung und Stärkung der Verkehrsträger des Umweltverbunds sowie die Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätsmöglichkeiten in Hessen. Wir sind der Überzeugung, dass erst durch die vollständige Integration aller Verkehrsmittel einschließlich Schienen- und Bahnverkehr der Anteil an der tatsächlichen Fahrleistung des Umweltverbunds entscheidend erhöht werden kann. PRO BAHN fordert zusammen mit der Verkehrswende einen Anteil der umweltverträglichen Mobilität von 65% am Gesamtverkehr im Jahr 2030. Um dieses anspruchsvolle Ziel in Hessen umzusetzen, reicht das Nahverkehrsgesetz in vorgelegter Form nicht aus.Es muss grundlegend überarbeitet werden. Erst durch die Integration des ÖPNV entsteht eine wirkliche Alternative zum Individualverkehr. „ Den Menschen auf dem Land wird weiterhin keine gute Alternative zum Auto geboten. Wer kein Auto fahren darf oder kein Auto hat, dem stehen häufig nur die wenigen Schulbusse für die Schülerinnen und Schüler am Morgen und am Nachmittag zur Verfügung. In den Schulferien sind die Menschen an einigen Orten auf dem Land gar nicht mehr an den ÖPNV angebunden.“ , so Philipp Loth als Vertreter der Verkehrswende Hessen für PRO BAHN.

Es war im gemeinsamen Gespräch der „Verkehrswende Hessen“ und der Regierungsfraktionen nicht möglich gewesen, auf Augenhöhe miteinander in Diskurszu treten. Schon beim ersten Gespräch wurde der Verkehrswende mitgeteilt, dass es keine Verhandlungen mit ihnen geben werde. Lediglich Änderungsvorschläge aufBasis des Gesetzentwurfes der Regierungsfraktionen hätten diskutiert werden können . „Im Ergebnis hätten dann nur unbedeutende Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen werden können“, so Philipp Loth. Somit muss der Pressemittteilung der Fraktionen der CDU und Bündnis 90 / Die Grünen vom 10.02.2023 widersprochen werden, es hätte „einen konstruktiven Austausch mit den Vertrauensleuten des Volksbegehrens“ gegeben. Auch die hier genannten „sehr wertvolle(n) Impulse der Initiative“ finden sich im Gesetzentwurf nicht wieder. Besonders fragwürdig erscheint uns die folgende Äußerung von Kathy Walter,
Sprecherin für Straßenbau der Grünen (FR online 10.02): „In den öffentlichen Nahverkehr investiere es [das Land] „Rekordsummen“ – und es gebe dafür schon ein eigenes Gesetz, so wie für den Straßenverkehr.“ Dabei erklärte selbst der RMV-Geschäftsführer, dass die Finanzmittel vermutlich gerade ausreichend seien, um kein Bus- und Zugleistungen abbestellen zu müssen. Ein Angebotsausbau im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ist also mit den Geldern für die nächsten Jahre nicht möglich. Außerdem wurde uns in den Gesprächen mehrfach mitgeteilt, dass noch
ein neues und besseres ÖPNV-Gesetz kommen solle. Dazu müsse man nur die Ergebnisse der Enquete-Kommission im Sommer abwarten, so hieß es. Von diesem Versprechen ist jetzt nichts mehr zu hören.

Wir betrachten die Argumentation als Hinhaltetaktik vor der Wahl. Jetzt müssen sich die Koalitionspartner klar äußern, wie sie die Mobilitäts- und Klimaziele erreichen wollen. Die Wege dahin sollten allen Beteiligten bekannt sein: Mehr Verkehr muss auf die Schiene gebracht werden und dafür muss die Finanzierung des Netz- und Angebotsausbaus sichergestellt werden. Nur über die Schiene können längere Strecken klimaschonend zurückgelegt werden. „Man könnte vielen Menschen auf dem Land schnell durch die Reaktivierung von Eisenbahnstrecken helfen. An vielen Stellen liegen noch Gleise und die Trassen sind gewidmet. Die neuen Eisenbahnlinien können oft auch über andere Eisenbahnstrecken in die nächste Großstadt durchgebunden werden. So könnte man den Menschen auch attraktive Direktverbindungen schaffen“, so Philipp Loth. In den letzten Jahren wurde im Vergleich zu anderen Bundeländern und anderen europäischen Regionen wenig für eine Verbesserung des ÖPNV umgesetzt wurde. Das gemeinsame Gespräch mit den Regierungsfraktionen hat den weiterhin mangelnden Willen an einer Verbesserung der Situation nicht nur aufgezeigt, sondern auch verstärkt. Aus der Historie der Grünen hätte in den letzten Jahren deutlich mehr Engagement für den ÖPNV erwartet werden können. Außer den Flatratetickets unter anderem für Seniorinnen und Senioren, sowie Schülerinnen und Schüler hat sich nicht viel getan. Im ländlichen Raum Hessens sind ganze Kommunen und Teile von Landkreisen schlecht durch den ÖPNV erschlossen. „Als einzige Bahnstrecke wurde unter der aktuellen schwarz-grünen Landesregierung 2015 die Bahnstrecke Korbach-Frankenberg eröffnet. Der Vorstoß und die
Umsetzung für diese Reaktivierung kamen aber aus der vorherigen Legislaturperiode.“, so Philipp Loth von PRO BAHN.

Besonders enttäuscht sind wir darüber, dass jetzt selbst den Unterschriften von über70.000 Bürgerinnen und Bürgern für die Verkehrswende kein Gewicht gegeben wird. PRO BAHN Hessen fordert, dass in der kommenden Legislaturperiode (2024-2029) bessere Akzente für den ÖPNV im Sinne der Klimaschutzziele 2030 gesetzt werden.

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