Tut den Fahrgästen das nicht mehr an ! PRO BAHN Hessen zieht ernüchternde Bilanz in Sachen Baustellenfahrplan im Schienenpersonennahverkehr des Bundeslandes

Die Sommerferien 2018 sind in Hessen mit Sonntag, dem 5. August zu Ende und sie waren kein Aushängeschild – keine Werbung für den Öffentlichen Personennahverkehr in Hessen, so bilanziert der Fahrgastverband PRO BAHN die teils chaotische Situation während der sechs Wochen.

In ihrer jüngsten Landesvorstandssitzung war das was sich aktuell zuträgt, natürlich auch Thema, waren es nämlich die Mitglieder des Vorstandes, die wegen deutlicher Fahrplanabweichungen zu spät zur Sitzung kamen. Neben den Schwierigkeiten in den Sonderfahrplänen wegen der Baustellen kamen noch die weiterhin nicht einwandfrei bzw. flächendeckend funktionierenden neuen Fahrkartenautomaten des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV).

Woran hakts?

Schwerpunkt der Schwierigkeiten war die Main-Weser-Bahn Frankfurt-Gießen-Marburg-Kassel, welche gleich mehrere größere Baustellen aufwies. In Nordhessen war die Strecke südlich von Kassel auf einer Länge von rund 20 km nur eingleisig befahrbar, wodurch nur alle zwei Stunden mit dem Doppelstockzug RE 30 eine Verbindung aus Mittelhessen von und nach Kassel angeboten wurde. Alle Verkehrsteilnehmer der Hess. Landesbahn HLB/RE 98 mussten bereits in Wabern aussteigen, um mit Desiro-Kleinsttriebwagen der Bahn Bad Wildungen-Kassel (RB 39) die Weiterfahrt in die Nordhessen-Metropole fortzusetzen.

Die Fahrtrouten der HLB waren komplett umgestellt. So wurden die Umläufe der RE 98 von Nordhessen ab Wabern über Marburg, Gießen und dann gegenüber dem Normalfall nach Wetzlar und dann weiter nach Siegen geführt. Zwischen Gießen und Frankfurt Hbf. bestand dann ein eigener Pendelverkehr als RE 99. Somit gab es aus Marburg nach Frankfurt Hbf. nur alle zwei Stunden einen direkten Zug, aus Gießen nach Frankfurt Hbf. nur jede Stunde, wo ansonsten zeitweise alle 15 bzw. 30 Minuten etwas unterwegs ist. Noch schlimmer hat es Wetzlar und den Lahn-Dill-Kreis (LDK) getroffen. In den 6 Wochen Sommerferien fuhr überhaupt kein Zug des Regelfahrplans aus dem LDK direkt den Frankfurter Hauptbahnhof an, es musste immer umgestiegen werden.

Denn erschwerend kam hinzu, dass auch alle, wirklich „alle“ Fernverkehrsverbindungen Mittelhessen im weiten Bogen umfahren haben, der zweistündige IC, welcher Ende des Jahres in eine ICE-Linie umgestellt wird, komplett entfallen ist.

Die größere Baustelle in Nordhessen ist bereits erwähnt, so ging es südlich von Gießen erst richtig los. Dort werden vier Brückenbauwerke durch Neubauten ersetzt. Zum einen die Überführung der A 485 über die Bahntrasse, dann führt im Bereich Linden und Langgöns die Bahn auf dem Damm und darunter querende Straßen brauchen neue Durchlässe. Das führte dazu, dass entgegen eines Wochenendes gleich an zwei Wochenenden zwischen Gießen und Butzbach der Bahnverkehr komplett eingestellt werden musste. Die Fahrtzeit mit dem Schienenersatzverkehr durch Busse führte zu einer Vervierfachung der Fahrtzeit von 15 Minuten auf 60 Minuten. Im gleichen Atemzug wurde das verfallene Bahnhofsgebäude von Butzbach, ein Zweckbau der 1960er Jahre, abgerissen.

Südlich von Friedberg dann das nächste Abenteuer. Hier wurde im 1. Abschnitt des viergleisigen Ausbaus zwischen Bad Vilbel und Frankfurt-West ein eingleisiger Baustellenverkehr eingerichtet, wodurch nur die Regionalexpresslinien RE 30 und RE 99 im Stundentakt die Hauptstrecke von Norden kommend durchfuhren. Lediglich die S-Bahn mit der Linie S 6 durfte ihr dortiges Angebot im durchgängigen 30 Minuten-Takt aufrechterhalten.

Die Regionalbahnen des Mittelhessen-Express (RB 40, RB 41 und RB 49) wurden verbannt und mussten über Hanau in die Mainmetropole einfahren, wobei noch nicht mal das Einfahren in den Frankfurter Hauptbahnhof möglich war und in Frankfurt-Ost, Frankfurt-Süd und Frankfurt-Stadion (als Endpunkt) gehalten wurde.

In Frankfurt selbst, auf den letzten Metern der Main-Weser-Bahn dann eine weitere tageweise Einschränkung. Zwischen Frankfurt-West und Frankfurt Hbf. fuhr an mehreren Wochenenden kein einziger Zug auf der Regionalzugtrasse.

Die Fahrgäste stellen sich auf vieles ein und man hätte denn den Fahrplan auch akzeptiert, wenn er denn gefahren worden wäre.

Gerade weil die Doppelstockzüge der RE 30 mitten durch die Großbaustelle südlich Bad Vilbel fuhren und im Frankfurter Hbf. nur eine Wendezeit von 8 Minuten hatten, wurden an vielen Tagen soviel Verzögerungen eingefahren, dass sie den ganzen Tag massive Verspätungen mit sich schleppten, woraufhin es nicht selten vorkam, dass der Zug in Richtung Nordhessen vor seinem Ziel wendete und wieder zurück nach Frankfurt fuhr. Die Reisenden in Kassel hatten den Zugausfall zu beklagen, überfüllte ganz am Anfang beschriebene Alternativen mit viel kleineren Nahverkehrstriebwagen und Umstiegen führten zur deutlichen Frustration.

Im Fuhrpark des Mittelhessen-Express, welche mit sog. Talent 2-Zügen gefahren werden, gibt es schon seit Januar 2018 Ausfälle in den bereitgestellten Fahrzeugen, was seither fortwährend zur ersatzlosen Streichung von Fahrtenpaaren geführt hat. Auch in den Sommerferien 2018 setzte sich dieser Trend fort.

Noch nicht erwähnt ist bis zu diesem Punkt die „Tunnelsperrung“ des Frankfurter S-Bahn-Tunnels. Ein letztes Mal von insgesamt zehn zeitlich größeren Sperrungen seit 2015 war der Tunnel nun die ganzen Sommerferien dicht. Daher mussten auch die Züge des Regionalverkehrs der Main-Weser-Bahn oben im Kopfbahnhof Platz machen, damit die Linien S 3, S 4, S 5 und S 6 zu 75% die oberirdischen Anlagen in ihrem Regelbetrieb nutzen konnten. Betrachtet man die verschiedenen Sperrungen seit 2015, so muss man in der Gesamtskala der Sperrung in den Sommerferien 2018 nur einen mittelmäßig bis schwachen Wert zuordnen. In den Sperrungen 2016 und 2017 waren mehr Infotafeln in der Bahnhofshalle des Hbf. und den Tief-(B-)Ebenen der Innenstadt aufgehängt, mehr Personal insbesondere für die ortsfremden Fahrgäste, welche mit dem Fernzug anreisen, wäre wünschenswert gewesen. Das vorhandene Personal war freundlich und gab auch informative Auskünfte für die Weiterreise, was jedoch bei Weitem nicht ausreichte.

In der Frankfurter Innenstadt herrschte natürlich das entsprechende Gedränge in der U-Bahn, weil eben die S-Bahn fehlte. Hierbei muss man der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (vgf) und TraffiQ zu Gute halten, dass sie es vermocht haben, alles was auf den direkten U-Bahn-Linien der Innenstadt zu bewegen war, auch zum Rollen gebracht haben. Dass aber wiederum in den Außenbereichen auch im Stadtbahnnetz baustellenbedingte Streckensperrungen, insbesondere im Osten der Stadt erfolgten, machte jedoch das Fahren mit dem ÖPNV nicht einfacher.

Im Streckennetz des Schienenpersonenverkehrs von Hessen kamen weitere Widrigkeiten hinzu.

Ebenfalls seit Jahresbeginn gibt es massive Schwierigkeiten auf der Rheingau-Linie RB 10 der VIAS-Verkehrsgesellschaft zwischen Frankfurt, Wiesbaden, dem Rheingau und Koblenz aufgrund fehlender FLIRT-Nahverkehrstriebwagen. Anstelle von Doppeltraktionen wird oft nur in Einfachtraktion gefahren, so dass die Züge zwischen der Landeshauptstadt und Mainhattan oft völlig überfüllt sind, so dass keine Maus mehr hineinpasst.

Auf einer nicht ganz unbedeutenden Nebenbahn gab es in drei von sechs Wochen auch eine baustellenbedingte Sperrung. Die Vogelsbergbahn war zwischen Großen-Buseck bei Gießen und Alsfeld u.a. wegen des Neubaus der Bahnsteige in Grünberg komplett unterbrochen.

Die Lahntalbahn musste wegen eines Unwetters im Raum Weilburg für mehrere Tage ihren Betrieb einstellen, weil in Aumenau die Gleistrasse und die Bahnsteige komplett mit Schlamm überflutet waren. Für die letzte Situation kann dann auch wirklich niemand spontan gesagt etwas, da spricht man ja von der „höheren Gewalt“. Es rundete das Gesamtbild nur etwas ab.

In Südhessen gibt es mit der Ost-West-Linie RB 75 Wiesbaden-Mainz-Darmstadt-Aschaffenburg seit Monaten Schwierigkeiten, welche sich in den Sommermonaten 2018 weiter verschärft haben. Im Dezember 2018 wird es auf dieser Linie einen Betreiberwechsel von der Deutschen Bahn / DB Regio zur Hessischen Landesbahn / HLB geben. Das hat dazu geführt, dass die vorhandenen Kapazitäten weitestgehend aus Doppelstockwagen bestehend, bereits jetzt nach und nach abgezogen werden. Es bestehen Übergangslösungen mit viel älterem Wagenmaterial. Zugausfälle sind seither an der Tagesordnung.

An dieser Stelle des Berichts fehlen noch lokale andere Schwierigkeiten. Dann würde dieser Bericht aber endgültig eine Länge haben, welche den Leser erschlägt.

Der Fahrgastverband PRO BAHN ruft dazu auf, dass für künftige Baustellenfahrpläne in Hessen die Verbände, ja die Fahrgäste in den Vorlaufprozess eingebunden werden, wenn die Baustellenfahrpläne entwickelt werden.

Aus Sicht des Fahrgastes ist dies nur noch mit den Worten zu zitieren: „Lasst uns alle solch eine Situation wie in den Sommerferien 2018 bitte so schnell nicht mehr erleben“.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.