Kreis Bergstraße gibt Überlandbahn nicht auf: PRO BAHN freut sich über neu entflammte Diskussion um die Überwaldbahn. Ohne eingehende Untersuchung sollte eine Reaktivierung für den Eisenbahnverkehr nicht vorschnell ausgeschlossen werden. Bessere Erreichbarkeit zu den Zentren der Region könnte Standort Wald-Michelbach attraktiver machen.

Die neu entflammte Diskussion um eine Reaktivierung der Überwaldbahn nimmt der Fahrgastverband PRO BAHN erfreut zur Kenntnis. „Wie in zahlreichen anderen Regionen selbst eingefleischte Schienenskeptiker eingestehen müssen, können tot geglaubte Nebenstrecken einen wichtigen Beitrag zur Regionalentwicklung leisten“, findet Peter Castellanos, Vorsitzender des PRO BAHN Regionalverbands Starkenburg. „Man sollte sich daher davor hüten die Chancen einer Reaktivierung mit Vorurteilen pauschal abzulehnen und Kosten wie Nutzen verschiedener Varianten sorgfältig abwägen. Für letzteres bildet die nun durch den Kreis initiierte Machbarkeitsstudie eine wichtige Grundlage“.

Das Hessische Wirtschaftsministerium hat vor über zwei Jahren die Landesbehörde Hessen Mobil mit einer Bestandsaufnahme stillgelegter Schienenstrecken in Hessen1 beauftragt. Dabei wurden 21 Strecken genauer betrachtet und hinsichtlich ihres Reaktivierungspotenzials bewertet. Den Gutachtern zufolge weise die Überwaldbahn eine „mögliche Eignung für SPNV2“ (Schienenpersonennahverkehr) auf – wenn auch nur mit „geringerem Potenzial“. Doch nach Ansicht von PRO BAHN sollte das Anlass genug sein sich auf lokaler Ebene erneut etwas genauer mit dem Thema zu befassen.

Dass die Erkenntnisse aus dem Gutachten von Hessen Mobil nun in einer Machbarkeitsstudie im Auftrag des Kreises konkretisiert werden, erachtet PRO BAHN als deutliches Signal für eine nachhaltige Regionalförderung des Überwaldes. Wichtig bei der Bewertung sei aber auch die Entwicklung eines intelligenten abgestimmten Buskonzepts sowie – insbesondere bei der Kostenbewertung – die Überwaldbahn im betrieblichen Zusammenhang mit der Weschnitztalbahn zu betrachten.

„So unglaubwürdig die folgende Aussage klingen mag, mangelt es ihr nicht an Wahrheit: Der Kreis könnte schon heute einen regelmäßigen Personenverkehr auf der Überwaldbahn ohne finanziellen Mehraufwand finanzieren. Dazu müssen lediglich die vorhandenen Finanzmittel für den Betrieb der Weschnitztalbahn effizienter eingesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings unter anderem die von PRO BAHN oft geforderte Begegnungsmöglichkeit in Mörlenbach und eine Ertüchtigung der Überwaldbahn für einen Eisenbahnbetrieb“, fährt Castellanos fort und beruft sich dabei auf das durch Ulrich Grosse schon im Jahr 2000 vorgelegte Gutachten im Auftrag von VRN und Kreisverwaltung3. Wichtige Erkenntnisse daraus wurden nach Ansicht des Fahrgastverbandes unzulässigerweise unter den Teppich gekehrt; stattdessen investierte man zu viel in die finanziell und volkswirtschaftlich fragwürdige Solardraisine.

PRO BAHN leugnet mit dieser Aussage aber nicht den touristischen Mehrwert der Solardraisine. „Wir verschließen uns nicht vor der Realität, sondern bewerten nur kritisch, dass wichtige öffentliche Infrastruktur einseitig dem Tourismus zugeführt wird“, gibt Castellanos zu bedenken. Eine Touristenattraktion sollte nicht mit schlechter Erreichbarkeit des Überwaldes erkauft, stattdessen der Standort Wald-Michelbach intensiver gestärkt werden – auch um die Industriebrache der ehemaligen Coronet-Werke endlich einer sinnvollen Nutzung zuzuführen, findet PRO BAHN.

Mit einer Reaktivierung der Überwaldbahn, Wiederherstellung der Begegnungsmöglichkeit in Mörlenbach und direkten Zügen nach Mannheim sei es möglich, Wald-Michelbach in 50 Minuten von der Quadratestadt zu erreichen; von Darmstadt wären es abhängig von der Verbindung 60-85 Minuten. Zum Vergleich: Heute benötigt man mit dem Bus und Umstieg in Weinheim 70-90 Minuten nach Mannheim; nach Darmstadt sind es 90-110 Minuten.

Wenn gute Argumente und allgemeine Trends in der Bevölkerung zum künftigen Mobilitätsverhalten die Mehrheit der lokalen Entscheidungsträger nicht von einem regelmäßigen Taktbetrieb überzeugen können, ist PRO BAHN neugierig auf Alternativideen zur Weiterentwicklung der Region. Ein denkbarer Kompromiss könnte etwa ein historischer Bahnbetrieb in der Wintersaison als zusätzliche Attraktion zur Solardraisine darstellen. „So könnten im Sommer offene Solardraisinen und im Winter warme Eisenbahnfahrzeuge Erholungssuchende in den Überwald holen“, so Castellanos abschließend

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