Neuvergabe der Nahverkehrsleistung der Lahntalbahn und Vogelsbergbahn (RB45, RE44) alles andere als optimal. RMV fährt weiter seine konträre Strategie für den ländlichen Raum

Ein Zug der Vogelsbergbahn am Bahnübergang Marburger Straße in Alsfeld.

Ein Zug der RB45 auf der Lahntalbahn  vor dem Ostportal des Tunnels Weilburg.

Ein Zug der RB45 auf der Lahntalbahn vor dem Ostportal des Tunnels Weilburg.

Ab 2023 wird die Lahntalbahn und die Vogelsbergbahn für weitere 15 Jahre durch die Hessische Landesbahn (HLB) betrieben. Zu der einerseits guten Nachricht bzgl. Kontinuität beim ausführenden Unternehmen kommen leider einige Wehrmutstropfen, so die PRO BAHN Regionalverbände Mittelhessen und Osthessen in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Anfang Juni machte der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) die erneute Vergabe der als RB45 bezeichneten Nahverkehrsleistung an die HLB öffentlich, welche auf einer europaweiten Ausschreibung basierte.

Man widerspricht den Aussagen des Bahnkundenverbandes Pro Bahn&Bus mit dem Stellv. Vorsitzenden Stefan Sitzmann (Lauterbach), der in einer eigenen Pressemitteilung ein viel zu rosiges Bild illustriere. Einzig in der These, dass die HLB ein guter Anbieter für Verkehrsleistungen auf der Schiene ist, kann der Fahrgastverband PRO BAHN dem vereinsrechtlichen Mitbewerber zustimmen.

Die Züge sind insbesondere für den Verkehr auf der Lahntalbahn viel zu klein, so PRO BAHN Mittelhessen. Durch die touristische Erschließung des Lahntals mit dem Radtourismus komme es an Wochenenden, Schönwettertagen und in den Ferien zum Verkehrskollaps, weil bis zu 20 mal mehr Radfahrer/innen in den Zug wollen, als Abstellplätze vorhanden sind. Andere Bundesländer setzen auf solchen Strecken deutlich längere Nahverkehrstriebwagen mit mehr Sitzplätzen und deutlich größeren Mehrzweckabteilen ein.

Die Schienenstrecke der Lahntalbahn mit ihrer durchgängigen Zweigleisigkeit zwischen Limburg und Gießen ist auch völlig anders strukturiert als die der Vogelsbergbahn, so die Sprecher Thomas Kraft (PRO BAHN Mittelhessen) und Werner Filzinger (PRO BAHN Osthessen). Zudem wechselt das Fahrgastaufkommen in Gießen quasi zu 100 Prozent. Die Vogelsbergbahn ist leider nur eingleisig mit viel zu wenigen, in Betrieb befindlichen Kreuzungsbahnhöfen. Hieraus ergibt sich eine starke Störanfälligkeit. Dass man aufgrund dieser Tatsachen die Züge über drei Stunden auf der Gesamtstrecke von Limburg bis Fulda fahren lässt, ist ein verkehrstechnischer Sündenfall zum Schaden der Fahrgäste. Durch die Störanfälligkeit der Vogelsbergbahn werden dann auch Verspätungen auf die Lahntalbahn übertragen, verschleppen sich wegen der Enge des Fahrplans über den gesamten Tageszeitraum.

Der Fahrgastverband PRO BAHN mit den Regionalverbänden Osthessen und Mittelhessen fordert daher, dass die Fahrpläne samt Umläufen in Gießen getrennt werden, d.h. dass die Lahntalbahn und die Vogelsbergbahn wie bis 2011, wieder jeweils in Gießen enden. Dadurch wird die Übertragung von Verspätungen auf die andere Bahnstrecke komplett unterbunden. Sinnvoll ist allenfalls, dass eine Wendeanlage im Osten Gießens entsteht, um die Züge der Lahntalbahn durch die Universitätsstadt komplett hindurch zu führen.

Für die Lahntalbahn wäre es viel sinnvoller, die Regionalbahnen der Abschnitte Gießen-Limburg (RB 45) und Limburg-Koblenz (RB 23) wieder miteinander zu verbinden. Viele Reisende, welche an Unterwegsbahnhöfen im Rhein-Lahn-Kreis in Rheinland-Pfalz einsteigen, sie beabsichtigen durchaus, an Bahnhöfen lahnaufwärts in Mittelhessen auszusteigen. Der RMV klammert sich jedoch an mittelalterliche Gedankengänge und macht Bundesländergrenzen zu unüberwindbaren Bollwerken. Im geeinten Europa eine gesellschaftsfeindliche Strategie zum Schaden der Fahrgäste, nur weil man über den eigenen Tellerrand aufgrund der widersinnigen Haltung hausintern Verantwortlicher nicht hinwegkommt.

Positiv zu bewerten ist, dass künftig zwischen Gießen und Limburg ein 60-Minuten-Takt im RE-Verkehr besteht, in dem mit den RE44 eine Ergänzung zur zweistündigen RE25 Gießen-Limburg-Koblenz geschaffen wird. Diese Fahrplanergänzung ist schon lange überfällig, auch ohne die Wiedereinrichtung des Fernzughalts Wetzlar ab Ende 2021.

Kritisiert wird auch, dass die eigentlich mit der Aufstellung des Regionalen Nahverkehrsplans des RMV im Jahr 2019 ins Auge gefasste Aufwertung des Streckenabschnitts Gießen-Alsfeld in der ursprünglich geplanten Form vom Tisch, davon quasi nichts mehr übrig ist . Durchgängige Verbindungen Alsfeld-Frankfurt wurden in Aussicht gestellt, wenn der viergleisige Ausbau der Main-Weser-Bahn zwischen Friedberg und Frankfurt Ende der 20er Jahre fertiggestellt sein wird.

Weiterhin nicht im Fahrplan berücksichtigt sind Angebotslücken im Früh- und Spätverkehr. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes führe im ländlichen Raum dazu, dass man auch zu diesen Uhrzeiten gerade wegen der größeren Distanzen unterwegs sein muss. Wenn sich ÖPNV auf dem Land, insbesondere auf der Schiene, nicht darauf einstellt, dann kann der erforderliche Fahrgastzuwachs nicht gelingen, so Werner Filzinger und Thomas Kraft.

Die Rumpelfahrplanstrategie des RMV für den ländlichen Raum ist keine Perspektive. Hier ist ein umfassender Strategiewechsel erforderlich. Ob dieser mit den aktuell Verantwortlichen überhaupt noch umgesetzt werden kann, dies muss angesichts der vielfältigen Rückschläge, welche den Fahrgästen in Hessen seit Jahren zugemutet werden, stark bezweifelt werden.

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