PRO BAHN Hessen spricht sich gegen die Beibehaltung der Fernzug-Zuschlagskarten auf Fernverkehrsstrecken aus und fordert neues Fahrkartensystem ohne Mehrbelastungen für die Pendler

Die Umstellung der seitherigen IC-Linie 26, welche die Main-Weser-Bahn und die Main-Neckar-Bahn durchfährt, sorgt für Aufruhr bei den Pendlerinnen und Pendlern. PRO BAHN Hessen fordert ein Bundesschienenfernverkehrsgesetz mit neuen Bezuschussungen defizitären Fernverkehrs.

Ein IC verlässt den Bahnhof von Gießen auf Gleis 3 Richtung Süden. Hier werden künftig ICE der Baureihe ICE-T eingesetzt.

Ein IC verlässt den Bahnhof von Gießen auf Gleis 3 Richtung Süden. Hier werden künftig ICE der Baureihe ICE-T eingesetzt.

PRO BAHN Hessen sieht konkret die Auffassung des Rhein-Main-Verkehrsverbundes als richtig an.

Ein einfach „weiter so wie bisher“ mit der alten Form der Zuschlagskarte kann es bei der Komplexität des Gesamtthemas nicht geben, daher sind wir als Fahrgastverband PRO BAHN auch nicht für genau die identische Beibehaltung der Zuschlagstickets auf Nahverkehrstickets zur Nutzung der Fernverkehrslinie 26. Dass das jetzt zutage tritt, wenn die Züge ausgetauscht werden, ist so und hätte auch zu einem anderen Anlass kommen können. Der Grund liegt kurz erklärt darin, dass wir es hier, auch wenn das gleiche Gleis genutzt wird, mit zwei völlig verschiedenen Systemen der Eisenbahn zu tun haben. Da gibt es zum einen den durch die Bundesländer getragenen Schienenpersonennahverkehr (SPNV), wozu die RE-, RB- und S-Bahn-Linien gehören. Dann gibt es denn gänzlich anders organisierten „eigenwirtschaftlich“ geführten Fernverkehr der Deutschen Bahn mit den ICE- und IC-Linien (EC-Linien).

Der Öffentliche Personennahverkehr im Gesamtsystem ist bis auf sehr sehr wenige Großstadt-Innenstadtachsen nie kostendeckend und so ergibt sich für das gesamte Verbundgebiet des RMV z.B. ein Deckungsgrad durch Fahrgeldeinnahmen von ca. 56%. Der Rest ist Steuergeld, d.h. es sind die sog. Regionalisierungsmittel aus dem Bundeshaushalt (Gesamthöhe bundesweit aktuell ca. 8,2 Mrd. Euro), wovon das Land Hessen ca. 600 Mio. Euro erhält. Ein bisschen was gibt das Land noch obendrauf und davon muss alles das, was an Regionalverkehr in Hessen rollt, finanziert werden. Im Moment sind die Beträge in Hessen für das aktuelle Fahrplanangebot quasi verausgabt. Wir wünschen uns als Fahrgastverbände jedoch mehr Leistung im Nahverkehr im Sinne einer Verkehrswende. Wenn nun von diesem Nahverkehrsbudget noch Leistungen des Fernverkehrs finanziert werden, dann bleibt für die bestehende Leistung bzw. die gewünschte Mehrleistung im regionalen Bereich weniger übrig und das wollen wir nicht. Zudem ist diese Quersubventionierung rechtlich mehr als umstritten. Es gibt aber eine andere Lösung im Sinne der Fahrgäste und ihres Geldbeutels.

Die IC-Linie 26 ist übrigens kein Einzelfall, denn in den letzten Jahren sind einige DB-Fernverkehrslinien, auch aufgrund der Abgängigkeit der Waggon-Formationen der IC-Flotte nach nunmehr 50-70 Jahren Laufzeit, in ICE-Verbindungen umgewandelt worden, so z.B. zwischen Frankfurt und Fulda. Der dortige Protest war ebenso erfolglos, warum soll es hier anders sein? Auf Relationen wie Limburg-Frankfurt gab es entsprechende Regelungen noch nie.

Wir als Fahrgastverband PRO BAHN sehen das Grundübel darin, dass der Bundestag und die Bundesregierung sich seit vielen Jahren weigern, endlich gem. Artikel 87 e des Grundgesetzes tätig zu werden und ein Schienenfernverkehrsgesetz zu beschließen. Heute ist es so, der vorweg beschriebene eigenwirtschaftliche Verkehr der Deutschen Bahn rechnet sich im Gesamtkonzept, weil hoch ausgelastete Strecken wie z.B. nach Berlin und auf den Schnellfahrstrecken wie Hannover-Würzburg, Köln-Frankfurt usw., die anderen Verbindungen „mit finanzieren“. Auch die IC-Linie 26 ist „nicht kostendeckend“. Der Anteil der Fahrgäste mit Einzelfahrschein ist hier deutlich geringer, es sind verhältnismäßig viele Pendler, Studenten und Kurzreisende im Zug, kaum ein Reisender fährt die Gesamtstrecke oder längere Distanzen. Dass es eine Vielzahl von diesen defizitären Strecken gegeben hat, führte in den letzten 20 Jahren dazu, dass ein großer Teil des Schienenfernverkehrs in Deutschland geopfert wurde. Inzwischen gibt es Proteste, Politik und Gesellschaft fordern die Wiederanbindung aller größeren Städte ab 100.000 Einwohnern in Deutschland an den Schienenfernverkehr. Die Deutsche Bahn hat hierzu im März 2015 ein Konzept vorgelegt, jedoch gleichzeitig dargelegt, dass dies eigenwirtschaftlich nicht zu machen ist. Nun ist ja die Deutsche Bahn seit fast 25 Jahren ein privatrechtliches Unternehmen und kein Staatskonzern mehr.

Aus unserer Sicht muss der Staat sich dieser Aufgabe annehmen und die defizitären Teile des Fernverkehrsnetzes durch Steuergeld auffangen. Das darf jedoch „nicht“ aus dem Topf der 8,2 Mrd. (Regionalisierungsmittel Schienenpersonennahverkehr) kommen, sondern wir fordern im Rahmen eines neuen Schienenfernverkehrsgesetzes die Schaffung einer neuen Position im Bundeshaushalt, welche genau diese Gesamtsumme „defizitärer Fernverkehr“ für speziell zu benennende Strecken auffängt. Ob dies 1 Mrd. Euro ist, mehr oder weniger, dazu kann der PRO BAHN Landesverband Hessen heute keine verlässliche Zahl liefern. Daraus kann dann resultieren, dass die Deutsche Bahn Monats- und Jahreskarten auch auf durch Pendler stark nachfragten Trassen z.B. im Zuge der ICE-Linie 26 anbieten kann, welche nur akzeptabel teurer sind als die der Nahverkehrs-Zeitkarten. Zudem müssen sie natürlich „immer“ auch die City-Option für die Städte beinhalten, welche auch bei Einzel-Fernverkehrstickets gelten. Das alles wäre dann auch eine Lösung für Abschnitte wie Weinheim-Darmstadt aber auch Gießen-Frankfurt oder Marburg-Kassel.

Nun kann das Argument kommen, dass man diesen Vorteil aufgrund Wettbewerbsrecht nicht nur der Deutschen Bahn zugute kommen lassen darf. Was spricht denn dagegen, für die defizitären Fernverkehrsrelationen „Gemeinwirtschaftliche Verkehre“ analog des Öffentlichen Personennahverkehrs (auch seither für Bus und Schiene) auszuschreiben und auf Zeit (10-15 Jahre) zu vergeben? Dann gewinnt eben derjenige die Ausschreibung, der nach Ausschreibungsrecht das passende Angebot macht. Es muss ja aus Fahrgastsicht nicht die Deutsche Bahn sein. Die Forderung nach „fairem“ Wettbewerb auf der Schiene im Fernverkehr ist so alt wie die Umwandlung der Deutschen Bundesbahn zur Deutschen Bahn im Jahr 1994 und diese Forderung erhebt auch der Fahrgastverband PRO BAHN.

Wie wir erfahren haben, gibt es ja für die IC(E)-Linie 26 eine Übergangszeit bis Ende März 2019, in der also nochmal Zuschlagstickets ausgegeben werden. Wir werden jedenfalls für die im vorletzten Absatz beschriebene Lösung werben und an die Verantwortungsträger von Politik, Verwaltung und Verkehrswirtschaft herantreten. Das Problem ist erkannt, auch für die Relation Weinheim-Darmstadt und wir wollen eine tragfähige Lösung im Sinne der Fahrgäste, insbesondere auch der Pendlerinnen und Pendler, die nicht ewig auf sich warten lassen darf.

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